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Gleiches Recht für alle Mitarbeiter

Welche Aufgaben haben Sie als Gleichstellungsbeauftragte im ORF?

In dieser Funktion agiere ich als Anlaufstelle in Gleichstellungsfragen für ORF-Mitarbeiterinnen und auch –Mitarbeiter aus drei Direktionsbereichen, trage ich Fälle vermuteter Diskriminierung auf Grund des Geschlechts an die interne Gleichstellungskommission heran und begleite ich im vorgegebenen Rahmen die internen Auswahlverfahren in Hinblick auf Führungspositionen, denn Transparenz und Nachvollziehbarkeit beim beruflichen Ein- und Aufstieg tragen wesentlich zum Fortschritt auf dem Gebiet der Gleichstellung bei. Als Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichstellungsfragen habe ich zudem im Verband mit den anderen Gleichstellungsbeauftragten im ORF und ihren Stellvertretungen die Grundlagen, Vorgaben und Maßnahmen für den seit September geltenden „Gleichstellungsplan“ erarbeitet, der vom Generaldirektor nach  Abstimmung mit  dem Zentralbetriebsrat für eine Gültigkeit von sechs Jahren erlassen wurde und alle zwei Jahre seitens der Arbeitsgruppe adaptiert wird. Im Gleichstellungsplan werden u.a. auf Basis der Ergebnisse der jährlich aktualisierten geschlechterspezifischen Personalstruktur-Analyse verbindliche Vorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils für die einzelnen Direktionsbereiche festgeschrieben, - abgestimmt darauf, wo Frauen im Unternehmen noch unterrepräsentiert sind, d.h. vor allem in den höheren Verwendungsgruppen sowie im Bereich der Technik. (Der jeweils mögliche zu erzielende Fortschritt zur Erreichung der im ORF-Gesetz verankerten 45-Prozent-Frauenquote wird seitens der Gleichstellungsbeauftragten nach Rücksprache mit den einzelnen Direktionen und deren Personaladministrationen definiert.)

Besondere berufliche Freude bereitet es mir, dass mein Aufgabengebiet auch die aktive Beteiligung an der Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen beinhaltet, sei es in Form der Projektleitung von „Mentoring für Frauen im ORF“, einem heuer bereits zum sechsten Mal laufenden überaus effizienten Personalentwicklungs-Programm, in Form der Co-Moderation der Genderkompetenz-Workshops für die ORF-Führungskräfte, oder auch in Form der professionellen (Einzel-)Beratung durch mich als ISO-zertifizierter systemischer Coach.

Wie wichtig ist eine Gleichstellungsbeauftragte Ihrer Meinung nach für ein Unternehmen?

Persönlich bin  ich davon überzeugt, dass die Wahrnehmung aus dieser Position heraus, der geschärfte Blick für die unterschiedlichen Ressourcen und unterschiedlichen Bedürfnisse von mitarbeitenden Menschen, von Frauen und Männern und auch von anderen Diversitäten, der Blick für Unterschiedlichkeit als Gewinn, für ein Unternehmen überaus wertvoll ist. Sei es in Form einer eigens dafür eingerichteten Position oder Funktion, sei es – in Klein- und Mittelbetrieben etwa – seitens der für Personalentwicklung zuständigen Stelle oder Person. Denn Chancengleichheit wird  nach meinem Verständnis durch die wertfreie Berücksichtigung von Unterschiedlichkeiten erreicht. Und in dem Maß, in dem Unternehmen das für lange Zeit gegolten habende Prinzip der Selbstähnlichkeit in der Personalauswahl durch das Prinzip der Berücksichtigung möglichst zahlreicher unterschiedlicher Lösungsansätze ersetzen, wächst - durch die erweiterte Sichtweise – der Spielraum eines Unternehmens und damit auch der wirtschaftliche Erfolg.

Sie sind Mütter zweier Söhne. Wie erklären Sie ihnen das Thema Gleichberechtigung?

Vor dem  individuellen Hintergrund meiner Familie war das keine schwere Übung für mich. Ich stamme seitens meines Vaters aus einer über Jahrhunderte freien Bauernfamilie mit dem Wahlspruch „Niemandes Herr und niemandes Knecht“, der auch für die Frauen der Familie galt. Die profund gelernte Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe, ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts hat ihre Spuren nicht nur in Kollektivverträgen mit der Unterschrift meines Vaters hinterlassen, die seitens beider Sozialpartner über Jahrzehnte hoch geschätzt waren. Unter meinen mütterlichen Vorfahren waren zudem viele Frauen, die die jeweiligen Bildungs- und Berufschancen individuell bestmöglich genützt hatten, sei es meine Großmutter als eine der ersten Maturantinnen in Österreich oder meine Mutter als Mathematikerin und freie Journalistin. Ich habe diese Haltungen verinnerlicht. Ich musste meinen Söhnen nicht viel erklären, sie haben in Fragen der Gleichwertigkeit und daher Gleichberechtigung meine Haltungen angenommen. Und ich nehme mit großer Freude wahr, mit welcher Selbstverständlichkeit beide ihre eigene Identität als Männer gefunden haben, zugleich die Identität ihrer Partnerinnen als Frauen zur Gänze respektieren und gemeinsame Verantwortung mit ihnen auch gemeinsam tragen.



Gleiches Recht für alle Mitarbeiter

Was war/ist Ihre größte Herausforderung?

Stets auf’s Neue das richtige Maß in allem zu finden, im Geben und im Nehmen, zwischen Ich und Du, zwischen Lauheit und Anmaßung, zwischen Vision und Realitätsbezug. Ein Leben in Balance zu führen.

Wie schwierig ist es für Sie, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen?

Zum größten Teil gehört diese Fragestellung meiner Vergangenheit an. Ob es schwierig war/ist, halte ich primär für eine Frage der eigenen erwachsenen Entscheidungskompetenz. Unter den Rahmenbedingungen, die gegolten haben, als meine Kinder klein waren  (maximal ein Jahr Karenz, keine Möglichkeit in Elternteilzeit zu arbeiten, habe ich mich bewusst dafür entschieden, meinen damals großartigen ORF-Vertrag zu kündigen und erst zehn Jahre später wieder zur Gänze ins Berufsleben einzusteigen. In Hinblick auf die Höhe meiner zu erwartenden Pension deute  ich diese Entscheidungen heute aus wirtschaftlicher Sicht als mittlere Katastrophe für mich, und in Hinblick auf die emotionellen Erfahrungen als eine wunderbare Bereicherung, die ich um keinen Preis missen möchte. Für mich ist es beides – Verlust wie Gewinn. Und ich neige dazu, dem Verlust weniger Bedeutung zu geben als dem Gewinn. Als ein guter dritter Weg aus dem Vereinbarkeitsdilemma für die Zukunft  erscheint mir eine ausbalancierte Verteilung von Arbeit und Betreuungspflichten unter Frauen und Männern bis hin zum Top-Sharing.

Welche Chancen bietet der ORF Frauen in Bezug auf berufliche Entfaltung?

Einerseits gibt es ein im Gleichstellungsplan definiertes Regelwerk, das Frauen, die an einer Karriere innerhalb der ORF-Strukturen interessiert sind, bestmögliche Förderung zukommen lässt, d.h., so lange ihnen das kleinere Stück von (Karriere-)Kuchen zukommt, erhalten sie die Rosinen dazu, wie ein „Curriculum zur Karriereförderung von Frauen“. Andererseits wird darauf geachtet, dass die fachliche Höherqualifikation von Frauen zunehmend honoriert wird, da sich zum einen die Zahl der Führungspositionen im Unternehmen verringert, wovon Frauen wie Männer betroffen sind,  und es zum anderen überwiegend die Frauen im Unternehmen sind, die eine fachliche Karriere gegenüber einer hierarchischen bevorzugen. Im Sinn bestmöglicher Vereinbarkeit bietet der ORF bereits bis zu drei Elternkarenzjahre sowie Elternteilzeit bis zum elften Lebensjahr des Kindes und in den administrativen Bereichen auch Teleworking an. Darüber hinaus hat sich der ORF dazu entschlossen, Top-Sharing, d.h. das Modell Frauen und Männer  in Teilzeit und Führung, einzuführen, und Anreize zu temporärer Teilzeitarbeit  für Männer mit Betreuungspflichten zu schaffen.

Sind Frauen Ihrer Meinung nach heutzutage noch immer zu wenig gleichberechtigt, beispielsweise in Bezug auf Verdienstmöglichkeiten?

Aus meiner Perspektive führen nicht nur mehrheitlich zu Lasten der Frauen gehende Betreuungspflichten zu einer nach wie vor schlechteren Einkommenssituation von Frauen, sondern sind es fast ebenso wirksam die gut gepflegten Unterschiede in der Berufswahl, die die Einkommensschere aufgehen lassen. So verdient beispielsweise in ein und derselben Gehaltsklasse im ORF eine Administrative Fachkraft (in der Mehrzahl der Fälle eine Frau) in diesem Job ohne Überstunden und Zulagen auf Grund von Dienstreisen um einiges weniger als ein Techniker, der im Rahmen der Übertragung eines Skirennens ein Wochenende lang durcharbeitet. So lange junge Frauen sich die Technik nicht zutrauen und so lange junge Männer den größeren Freizeit-Spielraum im Bereich der Administration nicht auch als Wert schätzen, wird die Schere kaum zugehen.



Gleiches Recht für alle Mitarbeiter

Inwieweit sollten Männer alte Rollenbilder ablegen, um ihrer Partnerin trotz Kinderwunsch eine Karriere zu ermöglichen?

Vielleicht  indem sie das lange Zeit gültige vermeintliche Idealbild vom rund um die Uhr auf der Karriereleiter hinaufkletternden erfolgreichen Manager hinsichtlich eines perspektiven- und erfahrungsreicheren Lebens ein wenig kritisch in Richtung ihrer eigenen Bedürfnisse und Abhängigkeiten  hinterfragen. Indem sie vielleicht nicht ausschließlich auf die Vorteile der in die Jahre gekommenen Gleichung „Gelderwerb ist Männersache, Erwerb sozialer Kompetenz ist Frauensache“ fokussieren, sondern auch die Nachteile dieser Polarisierungsformel reflektieren. Und indem sie sich vielleicht von Zeit zu Zeit die Frage stellen, ob ein Rollenbild, das vor einem anderen soziokulturellen historischen Hintergrund seinen guten Grund hatte, bereits gegenwärtig und vor allem zukünftig beruflich wie privat noch erfolgreich gelebt werden kann. Aus meiner Sicht braucht es ein weiteres Fortschreiten auf dem Weg, der zu einer geringeren wirtschaftlichen Abhängigkeit von Frauen gegenüber Männern und einer geringeren Abhängigkeit bezüglich der anderen Dinge des Lebens von Männern gegenüber Frauen führt.

Wie sieht perfektes Glück für Sie aus?

Mit mir selbst nach innen wie nach außen kongruent und mit den Menschen, die mich begleiten und denen ich begegne, in guter Resonanz zu sein. Und das Schicksal - so wie es sich äußert - annehmen zu können, in der Hoffnung, dass alles, was geschieht, einen tieferen Sinn hat. Kurz: in jeder Hinsicht Vertrauen zu haben.

Wovon träumen Sie?

Vom jährlichen Überwintern an einem warmen Ort, vom täglichen Blick auf den unbegrenzten Horizont über dem Meer und von einer Ewigkeit im Austausch mit meinem wunderbaren Begleiter. Dass es im Träumen möglich ist, real gesetzte Grenzen zu überwinden, macht seinen so besonderen Reiz aus.

Die zweifache Mutter Dr. Monika Rupp ist seit Oktober 2004 Gleichstellungsbeauftragte im ORF und lebt in Wien.

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