Aktuell
Umsetzungsaufwand verdeutlicht sich
Die neuen Regeln zur stärkeren Kontrolle des Handels und der Abwicklung von außerbörslichen Derivaten, so genannten OTC-Derivaten, konkretisieren sich. Die Marktteilnehmer wie Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen wissen nun genauer, welcher Aufwand sie für die Umsetzung erwartet. Trotz der durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) veröffentlichten Einzelheiten verhält sich eine Vielzahl der Marktteilnehmer abwartend, wie Marktbeobachtungen von Steria Mummert Consulting ergeben. Viele Finanzinstitute zögern mit der konkreten Umsetzung, weil einige Vorschriften der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) im letzten Moment noch geändert werden könnten.
Die ESMA hat bisher in zwei Konsultationspapieren Durchführungsdetails zur Überwachung des OTC-Derivate-Handels veröffentlicht. Das Papier vom 25. Juni 2012 weist bereits eine hohe Detailtiefe auf. Die Marktteilnehmer verfügen nun über genaue Vorgaben, wie sie Clearing-Dienstleister, so genannte Central Counterparties (CCPs), für die Verrechnung der Geschäfte auswählen. "Der organisatorische Aufwand für die Anpassung der Abläufe für das zentrale Clearing ist enorm. Zudem ist der Clearingmarkt durch die Regulierung stark in Bewegung. Die Marktteilnehmer müssen regelmäßig prüfen, welche CCP-Anbindungen für sie sinnvoll sind und ob sich nicht ein Third-Party-Clearing besser eignet. Viele Händler müssen sich diesen Marktüberblick erst verschaffen", sagt Jens Schuback, Experte für OTC-Derivate bei Steria Mummert Consulting.
Darüber hinaus sind die betroffenen Derivate-Händler gefordert, eigens Abwicklungsstandards zur Meldung sämtlicher Derivate-Transaktionen einzuführen. Dies und der enorme Detailaufwand zur Erstellung der Meldung machen die Umsetzung zu einem Kraftakt. "Die erforderlichen Daten müssen teilweise aus verschiedenen Systemen zusammengetragen werden. Allein das Implementieren der Schnittstellen mit den Transaktionsregistern, die für den OTC-Derivate-Handel ebenfalls notwendig werden, kann inklusive Testen mehrere Monate dauern", so Schuback.
Wenn die Marktteilnehmer die Auflagen pünktlich erfüllen wollen, müssen sie schnellstmöglich mit der Umsetzung beginnen. Wegen der Auswirkungen entlang der gesamten Prozesskette ist der Abstimmungsbedarf unter den verschiedenen Parteien nicht zu unterschätzen. "Selbst ein Aufschub bis Mitte 2013 für die obligatorische Meldung aller Derivate-Transaktionen ändert nichts daran, dass den Marktteilnehmern die Zeit davonläuft", warnt Jens Schuback von Steria Mummert Consulting. Eine frühe Konsolidierung von Systemen, die Harmonisierung von Schnittstellen sowie die Steigerung der Automatisierungsquote führen dagegen langfristig zu Kostenersparnissen bei den Instituten, zeigen Projekte bei Großbanken.
Hintergrundinformationen
80 Prozent aller Derivate werden nicht auf organisierten Plattformen wie zum Beispiel Börsen gehandelt, sondern unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart. Von diesen so genannten Over-the-Counter-Derivaten (OTC) geht eine erhebliche Gefahr für die Finanzmarktstabilität aus. Das Fehlen jeglichen Regelungsrahmens war eine der entscheidenden Ursachen für die Finanzkrise. Mit der "European Market Infrastructure Regulation" (EMIR) und dem amerikanischen "Dodd-Frank Act" (DFA) wollen Gesetzgeber und Regulierer auf beiden Seiten des Atlantiks nun für mehr Transparenz und Sicherheit sorgen.