Aktuell
Es muss nicht immer ein Picasso sein: Kunst als attraktive Anlageform
Wenn Picasso, Rembrandt, da Vinci und van Gogh aufeinandertreffen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um eine Versteigerung des traditionsreichen Auktionshauses Christie’s handelt. Die Augen sind an solchen Tagen gen Rockefeller Plaza gerichtet, wo sich der amerikanische Hauptsitz des Unternehmens befindet. Wenn „große Namen“ zum Kauf angeboten werden, ist die Spannung zum Reißen gespannt: Zum Bespiel wenn wie letzten November Édouard Manets bekanntes Bild „Le Printemps“ um mehr als den doppelten prognostizierten Wert ersteigert und ein Rekordpreis für diesen Künstler von 65,1 Millionen Dollar erreicht wird. Solche extremen Gewinnmaximierungen kursieren durch die Schlagzeilen und reizen immer mehr Investoren, in den Kunstmarkt einzusteigen. Dieser Investmentbereich verspricht gute Preise mit verlockenden Renditen. Eine wachsende Konzentration von „Art Consultants“, sprich Kunstberatern, sowie eigenen Kunstexperten in Private Banking Abteilungen wiederspiegeln ebenso die steigende Popularität dieser Anlageform. Als Neueinsteiger sollte man sich jedoch zuerst fundiertes Hintergrundwissen aneignen, da sich der Kunstmarkt von allen anderen Märkten grundlegend unterscheidet und Besonderheiten sowie Gefahren birgt.
Besonderheiten des Kunstmarktes
Zunächst sollte klar sein, dass die Abläufe des Kunstmarktes sich nicht am Prinzip einer freien Marktwirtschaft orientieren können. So resultieren die Preise beispielsweise nicht aus der Knappheit beziehungsweise aus dem Nutzwert eines Gutes und auch nicht aus den erwarteten Cash Flows wie bei üblichen Finanzinvestements. Leitfäden auf dem Kunstmarkt sind vor allem subjektive Betrachtungsweisen, die von verschiedenen Expertenuntersuchungen vorgelegt werden. Den Preis eines Werkes bestimmen letztlich Faktoren wie die Größe des Kunstwerkes, der ästhetische Wert, die Einmaligkeit des Kunstwerkes, der Wert des besonderen Kauferlebnisses, die Bedeutung für den Sozialstatus und die Bekanntheit und Reputation des Künstlers. Die Einzigartigkeit des Marktes zeigt auch die allgemein tolerierte Preismanipulation. Um Preissenkungen zu vermeiden, halten so manche Galeristen Kunstwerke zurück, um das Angebot künstlich zu verknappen und den Wert zu steigern. Händler halten in diesem Primärmarkt, auf dem hauptsächlich neu kreierte Kunst versteigert wird, eine Monopolstellung. Der Sekundärmarkt stellt einen Marktplatz von älterer Kunst dar, in dem vor allem Auktionshäuser und Kunsthändler Kunstwerke ersteigern oder weiterverkaufen.
Es ist ein Gerücht, dass der Kunstmarkt ein geschlossener Kreis von Lamborghini Fahrern und Gucci Trägerinnen ist. Sofern man nicht von einem da Vinci Gemälde in Eigentum träumt, heißt der Kunsthandel auch einfache mittelständische Interessierte außerhalb der Milliarden-Euro-Grenze willkommen. So kann man auf Kunstmessen wie der Art Fair in Köln oder der Affordable Art Fair in Hamburg auch günstige Kunstwerke unterhalb der 5.000er Marke erwerben. Solche Messen garantieren einen guten Einstiegspreis für noch unerfahrene Kunstinvestoren neben ganz normalen begeisterten Kunstliebhabern. Mit dieser Methode schließt der Käufer auch den wichtigsten Vorsatz einer Geldeinlage ein: Mit dem Prinzip der Streuung das Risiko zu minimieren. Setzt man nämlich, ähnlich wie beim Poker, sein ganzes Kapital „all in“ auf ein Gemälde, ist der Käufer stark dem Erfolg oder Misserfolg dieser einen Karte ausgesetzt. Somit ist es strategisch sinnvoller, lieber quantitativ in verschiedene günstigere Kunstwerke zu investieren.
Senkung des Risikomanagements
Viele Neueinsteiger fokussieren sich auf die Wertsteigerung der zeitgenössischen Kunst, welche nach Berechnungen der Unternehmensberatung Deloitte seit 2000 eine Wertsteigerung von zwölf Prozent und ein Gesamtvolumen von 47,4 Milliarden Euro (laut „European Fine Art Foundation“) verzeichnet hat. Was Einige aber vergessen, ist, dass der willkürliche Erwerb von zeitgenössischer Kunst kein Garant für eine positive Rendite ist. Hier verhält sich der Kunstmarkt ähnlich wie der Dax: Nur weil dieser hinzugewinnt, lässt sich nicht daraus schließen, dass jede einzelne der 30 Dax-Firmen ein Kursplus verzeichnet – sondern dass es sich eben nur um Durchschnittswerte handelt, die nicht auf jedes einzelne Werk zutreffen. Schuld an diesem Pokerspiel ist eine starke Selection Bias: Selbst die Kunstwerke eines renommierten Künstlers können von der Qualität und dem Käuferinteresse stark auseinandergehen. Das Interesse klammert sich zum Beispiel an der Stilart, der Epoche und der Schaffensphase eines Kunstwerkes. Hier spielt vor allem der Modetrend der Zeit eine wichtige Rolle: Van Gogh, der heute zu den wertvollsten Impressionisten zählt, hatte in seiner Zeit stark um den Verkauf seiner Kunstwerke zu kämpfen; einige Werke wurden, zur Linderung der Not, sogar von seinem Bruder gekauft.
Den Trend weg von alter Kunst und hin zu experimentierfreudigeren und modernen Kunstwerken ebnen heutzutage neureiche Asiaten und altvermögende europäische Erben, deren Ideen und Sichtweisen modernisierter sind und von alten Geschmacksleitfäden wegführen. Woran können sich also Investor-Neulinge in dieser fluktuierenden Kunstwelt festhalten und orientieren? Der Schlüssel lautet: Informationen einholen, Galerien und Auktionshäuser besuchen, Ausstellungen ansehen und Internetrecherche betreiben. Online wird vor allem der Mei Moses Index, der eine Datenbasis von 45.000 Transaktionen mit bestätigten Marktpreisen führt, empfohlen; außerdem Plattformen wie Artnet und Artprice. Um den ziemlich grob geschätzten Wert eines Bildes auszurechnen, können sich Neueinsteiger an einer simplen Faustformel orientieren: Die Länge plus die Breite des Bildes (in Zentimetern) mal Faktor zehn. Wichtigstes Preismaß ist und bleibt die Größe eines Bildes, die je nach steigender Reputation eines Künstlers (z.B. durch eigene Ausstellungen) um je einen Multiplikationsfaktor wächst.
Gegner der Investition in Kunst warnen vor den weitausufernden Missbrauchsmöglichkeiten dieser Anlagesparte. Allen voran ist hier der Kritikpunkt vom Handel mit gefälschten Originalen von schon verstorbenen Künstlern. Den bekanntesten Missbrauchsfall stellt hier der 2008 verhaftete Fälscher Wolfgang Beltracchi dar, welcher Gemälde im Stile deutscher Expressionisten mit einer tadellosen Perfektion malte und als Originale verkaufte. Die Zahl dieser Fälschungen liegt nach seinen eigenen Angaben bei 300 Gemälden, wobei gerade mal 1/6 identifiziert werden konnten. Der Raffinesse von Fälschungen kommt heutzutage kaum ein geschultes Auge auf die Schliche – Beltracchis Plagiate konnten auch nur mit aufwendigen chemischen Analysen nachgewiesen werden.
Außerdem kann die oben genannte Manipulation von Preisen nicht tolerierbare Ausmaße annehmen: Etwa wenn Strohmänner im Auftrag von Galeristen die Preise in die Höhe treiben oder Falschinformationen zur Aufwertung von Kunstwerken verbreitet werden.
Foto: © Leopold Museum, Wien, Inv. 650
Einen weiteren Kritikpunkt stellen die zuzüglichen Transaktionskosten dar, die oftmals beim Kauf vergessen werden: Zum Kaufpreis eines Gemäldes addieren sich noch Gebühren und Kommissionen, Zölle und andere Abgaben wie Mehrwertsteuer und Käuferaufgeld.
Der Reiz an der Kunst
Auch wenn es Kritik an dieser Anlageform gibt und die Kunstwelt viele Risiken birgt, gibt es jede Menge Verfechter wie den britischen Kunsthändler und Gallerie-Inhaber Charles Saatchi. Er sagt: „Ich kaufe Kunst, die ich mag. Ich kaufe sie, um sie in Ausstellungen zu zeigen. Dann, wenn ich will, verkaufe ich sie und kaufe mehr Kunst.“ Und er behält Recht. Der Kunstkauf bietet, im Gegensatz zu anderen Anlagearten, ein ganz besonderes Erlebnis: Er schenkt den Bietern Lustgewinn, der durch den Wettbewerb bei einer Auktion entfacht wird und dem Käufer einen Triumph beim Zuschlag beschert; Kunstwerke sind anders als Wertpapiere. Sie sind ein Anlageprodukt mit ästhetischem Wert, hinter dem nicht nur Zahlen stehen, sondern eine Geschichte mit einer eigenen Interpretation. Genau deswegen ist es beim Einstieg in die Kunst als Anlageform unumgänglich, Kunst zu kaufen, die einem persönlich gefällt – denn es kann sein, dass man ein Leben lang, sofern die Verkaufswerte schlecht sind, mit diesen Werken ausharren muss.