Das Programm des Europäischen Stabilitätsmechanismus für Griechenland: Fragen und Antworten
Wer überwacht die Reformfortschritte? Wird es Überprüfungsmissionen in Athen geben?
Die Kommission wird in Abstimmung mit der EZB und nach Möglichkeit mit dem IWF die Fortschritte Griechenlands bei der Durchführung des Reformprogramms überwachen. Die mit dem Programm verbundenen Auflagen werden unter Berücksichtigung der erzielten Fortschritte vierteljährlich aktualisiert. Diese Aktualisierung erfolgt auf der Grundlage der Ergebnisse von Überprüfungsmissionen in Athen, von denen die erste für Oktober vorgesehen ist. Griechenland hat sich verpflichtet, mit den Institutionen umfassend zusammenzuarbeiten und ihnen sämtliche Informationen bereitzustellen, die diese für die Überwachung des Programms benötigen.
Wie viel Geld hat Griechenland im Rahmen der ersten beiden Programme von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets erhalten?
ERSTES PROGRAMM
Verpflichtungen
Im Jahr 2010 vereinbarte die Euro-Gruppe, von der Europäischen Kommission gebündelte bilaterale Darlehen (die sog. Darlehensfazilität für Griechenland, Greek Loan Facility - GLF) in Höhe von insgesamt 80 Mrd. EUR zu gewähren (dieser Betrag hat sich letztendlich um 2,7 Mrd. EUR verringert, da die Slowakei sich gegen eine Beteiligung an der GLF entschied und Irland und Portugal, die selbst Finanzhilfen beantragten, sich ebenfalls nicht beteiligten).
Die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vereinbarte Finanzhilfe war Teil eines gemeinsamen Hilfspakets, für das der IWF im Rahmen einer Bereitschaftskreditvereinbarung weitere 30 Mrd. EUR zusagte.
Auszahlungen
Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets haben im Rahmen des ersten Programms schließlich 52,9 Mrd. EUR ausgezahlt.
ZWEITES PROGRAMM
Verpflichtungen
Nach den Wahlen in Griechenland sagten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2012 zu, über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) im Rahmen des zweiten Programms Mittel in Höhe von 144,6 Mrd. EUR für Griechenland bereitzustellen (dieser Betrag umfasst auch nicht in Anspruch genommene Mittel aus der GLF/dem ersten Programm).
Der IWF sagte rund 19,8 Mrd. EUR für das zweite Programm zu.
Auszahlungen
Die EFSF zahlte 141,8 Mrd. EUR aus, davon 48,2 Mrd. EUR zur Deckung der Kosten für die Bankenabwicklung und -rekapitalisierung. Von diesem Betrag wurden 10,9 Mrd. EUR nicht benötigt und daher später an die EFSF zurückgezahlt. Der ausstehende Kapitalbetrag beläuft sich somit auf 130,9 Mrd. EUR.
MAKROÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGEN
Wie sieht der neue Haushaltskonsolidierungspfad aus?
Der im MoU vorgegebene Haushaltskonsolidierungspfad sieht folgende Zielmarken für die Entwicklung des Primärsaldos vor: -¼ % des BIP im Jahr 2015, 0,5 % im Jahr 2016, 1¾ % im Jahr 2017 und 3,5 % im Jahr 2018 und danach. Die Staffelung der haushaltspolitischen Ziele steht mit den Wachstumsraten in Einklang, die für die griechische Wirtschaft mit der Überwindung der tiefsten Rezession aller Zeiten erwartet werden. Griechenland soll einen mittelfristigen Primärüberschuss von 3,5 % des BIP anstreben. Dies soll erreicht werden mit einer Kombination aus vorgelagerten finanzpolitischen Reformen, etwa in den Bereichen Mehrwertsteuer und Rentensystem, einem ambitionierten Programm zur Verbesserung der Steuerdisziplin und zur Stärkung der öffentlichen Finanzverwaltung – mit Blick auf eine wirkungsvollere Bekämpfung von Steuerhinterziehung – sowie wachstumsfördernden Strukturreformen. Gleichzeitig soll für einen angemessenen Schutz sozial schwacher Gruppen Sorge getragen werden.
Warum drängen die Institutionen so sehr auf einen Primärüberschuss?
Ein Primärüberschuss ergibt sich, wenn die Staatseinnahmen die Staatsausgaben (ohne Zinsausgaben) übersteigen. Wird ein Primärüberschuss erzielt, bedeutet dies, dass der Staat nicht mehr über seine Verhältnisse lebt und in der Lage ist, seine Schulden abzubauen. Somit ist ein Primärüberschuss von entscheidender Bedeutung, wenn die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederhergestellt und die Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad gebracht werden soll.
Im Zuge der vorausgegangenen wirtschaftlichen Anpassungsprogramme ist es Griechenland gelungen, sich von einem Primärdefizit von 10,3 % im Jahr 2009 hin zu einem Primärüberschuss von 0,4 % im Jahr 2014 zu bewegen. Bis weit ins zweite Halbjahr 2014 hinein hat Griechenland den Kurs gehalten und die Zielvorgaben des haushaltspolitischen Programms sogar übertroffen. Unsicherheiten vor und nach den Wahlen, widersprüchliche Ankündigungen zu Änderungen des Rahmens für die Steuererhebung sowie eine Schwächung der Wirtschaft haben dann jedoch in ihrem Zusammenwirken zu einer deutlichen Verschlechterung der allgemeinen Haushaltslage geführt.
Wie sehen die Projektionen für das BIP-Wachstum aus?
Die Kommissionsdienststellen haben ihre Prognosen im August 2015 aktualisiert. Nunmehr wird davon ausgegangen, dass das BIP im Jahr 2015 um -2,3 % und im Jahr 2016 um -1,3 % schrumpfen wird, bevor dann in den Jahren 2017 und 2018 wieder ein positives Wachstum von 2,7 % bzw. 3,1 % zu verzeichnen sein wird. Den Projektionen liegt die Annahme zugrunde, dass das Wachstum bis Anfang 2016 quartalsweise wieder anziehen wird, da die gegenwärtigen Unsicherheiten bald überwunden sein werden angesichts der Einigung über das neue dreijährige Anpassungsprogramm, der bei den meisten Wirtschaftstätigkeiten zu erwartenden allmählichen Lockerung der Kapitalverkehrskontrollen bis zum zweiten Halbjahr 2016 und einer gleichzeitigen raschen Bankenrekapitalisierung bis Ende 2015. Die im MoU vorgesehenen haushaltspolitischen Maßnahmen (einschließlich der bereits verabschiedeten Mehrwertsteuerreform) wurden in den Projektionen berücksichtigt.
PRIVATISIERUNG
Wie hoch werden die Privatisierungserlöse im Programm angesetzt?
Um den laufenden Privatisierungsprozess nicht zu gefährden und das Interesse der Investoren an den wichtigsten Privatisierungsprojekten aufrechtzuerhalten, verpflichtet sich Griechenland zur Fortführung des Privatisierungsprogramms. Mit der Umsetzung dieses Programms sollen (ohne Beteiligungen an Banken) jährliche Erlöse von 1,4 Mrd. EUR im Jahr 2015, 3,7 Mrd. EUR im Jahr 2016 und 1,3 Mrd. EUR im Jahr 2017 erzielt werden.
Wann wird der Privatisierungsfonds eingerichtet?
Im Interesse eines ambitionierten Privatisierungsprozesses wird in Griechenland ein unabhängiger Fonds unter Aufsicht der maßgeblichen europäischen Organe und Einrichtungen geschaffen und mit der Privatisierung von Vermögenswerten des Staates betraut, für die zuvor eine unabhängige Wertermittlung vorgenommen wird. Es wird erwartet, dass die griechische Regierung den Plan für den Fonds bis Ende Oktober 2015 billigen wird, so dass er bis Ende des Jahres seine Tätigkeit aufnehmen kann. Aufgabe des Fonds wird es sein, hohe griechische Vermögenswerte schnell zu ermitteln, während der Laufzeit des Programms zu transferieren und durch Privatisierung oder auf anderem Wege, u. a. durch Minderheitsbeteiligungen, zu monetarisieren. Der Fonds wird ebenfalls Beteiligungen an griechischen Banken nach deren Kapitalisierung umfassen und somit auch zu einer verbesserten Governance der Banken beitragen. Mit der Veräußerung der Vermögenswerte werden Erlöse in Höhe von 50 Mrd. EUR angestrebt. Von diesem Betrag sollen 25 Mrd. EUR für die Rückzahlung der Kapitalisierung von Banken und anderen Vermögenswerten verwendet werden; 50 % jedes verbleibenden Euro (also 12,5 Mrd. EUR) sollen für den Schuldenabbau und die übrigen 50 % (also ebenfalls 12,5 Mrd. EUR) für Investitionen genutzt werden.