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Cristina Riesen, General Manager Evernote, im ABW-Gespräch über die Arbeitswelt der Zukunft
Cristina Riesen ist General Manager für die Region EMEA des innovativen App- und Produkteentwicklers Evernote, dessen Software weltweit 100 Millionen Menschen nutzen. Austrian Business Woman sprach mit ihr über das Thema “Arbeitswelt der Zukunft”.
Schildern Sie bitte kurz Ihren Werdegang?
Ich habe in Rumänien studiert und beim Radio gearbeitet, im Jahr 2000 bin ich in die Schweiz gezogen. Dort habe ich mein Studium der Kommunikationswissenschaften weitergeführt und in PR Agenturen gearbeitet. Als die digitale Kommunikation und die sozialen Medien an Bedeutung gewannen, aber sich nur wenige Menschen damit auskannten, eröffnete sich für mich eine große Chance. Ich kündigte meinen PR-Job und beschäftigte mich intensiv mit allem, was Online-Medien, Community Management und digitale Kommunikation betrifft. Während meiner Studienzeit habe ich selbst intensiv Evernote genutzt. Es war vor allem für meine Recherche von unglaublichem Nutzen. Das Tool bot mir die Möglichkeit, meine gesamte Recherche an einem Ort zu bündeln und diese mit meinen Kollegen zu teilen. Bei einer großen Konferenz in Paris hörte ich eine Rede des Evernote CEO’s, es war wie eine Erleuchtung für mich. Ein paar Monate nach der besagten Konferenz erfuhr ich von einem Bekannten, dass Evernote jemanden für die Kommunikation in Europa sucht. Für mich war klar, dass ich das unheimlich gerne versuchen würde. So hat alles angefangen. Mein Anfang bei Evernote ist jetzt über vier Jahre her. Während dieser Zeit habe ich verschiedene Positionen im Unternehmen gehabt und bin heute General Manager für Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Ich kümmere mich um das Team, das Business Development und alles was mit Marketing, Kommunikation und PR zu tun hat. Es ist sehr spannend und heruasfordernd.
Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen?
Die Technologie hat sich stark entwickelt. Heute hat ein Kind irgendwo in Indien mit dem Smartphone mehr Zugang zu Wissen, als ein Manager vor zwanzig Jahren. Das ist faszinierend! Diese Entwicklung hat natürlich Auswirkungen. Das Problem vieler europäischer Unternehmen ist deren „veraltete“ Einstellung: Sie wollen die Mitarbeiter im Haus haben und kontrollieren, damit möglichst beste Leistungen erbracht werden. Mit den Möglichkeiten der Technik haben sich aber auch die Menschen weiterentwickelt, sie wollen von daheim arbeiten und neueste Geräte nutzen. Es gibt so viele Diskussionen darüber, ob die Technologie unser Leben dominiert oder Jobs gefährdet. Dabei ist es viel hilfreicher, die neuen Möglichkeiten als Werkzeuge zu sehen, welche uns neue Kräfte verleihen. Viele Menschen sind unzufrieden mit ihrem Beruf, machen ihn nur, weil Sie das Geld benötigen. Sie arbeiten brav wie Beamte von 9 Uhr bis 17 Uhr. Da sie unzufrieden sind, sind sie auch weniger produktiv. Heute zählt nicht nur das Einkommen, die Mitarbeiter wollen sich mit dem Job identifizieren. Von dieser neuen Arbeitsmoral profitiert auch das Unternehmen. Dank der Technik verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Freizeit. Diese Freiheit erfordert natürlich auch eine neue Art der Disziplin und ist eine großartige Chance. Die Zukunft ist nicht Mensch gegen Maschine, sondern gehört jenen, die mittels der Maschinen ihr Leben verbessern.
Wird es nicht schwer, Berufs- und Privatleben zu trennen?
Es sollte nicht darum gehen, eine klare Linie zwischen dem Leben und der Arbeit zu ziehen. Arbeit ist ein Teil des Lebens. Wenn wir über jede Stunde sprechen, die man für die Arbeit nutzt, dann sprechen wir über unser Leben. Es ist wichtig, dem Leben Wert zu vermitteln und das hängt auch davon von ab, wo man arbeiten möchte. Moderne Technologie hilft uns dabei zu entscheiden, welche Form der Arbeit am besten für uns passt, unsere Passion ist und unseren Interessen entspricht. Ab dem Moment, an dem man das macht was man liebt, wird die Arbeit zum Leben, das man haben möchte. Heute können wir Teil eines spannenden Projekts sein, uns weiterbilden und natürlich Freunde treffen – es ist eine Frage der Einteilung. Diese neue Form des Zeitmanagements ist aber nicht so einfach, weil wir „verschult“ sind und dadurch wenig flexibel. Noch wollen viele Menschen eine genaue Zeiteinteilung und das klassische Büroleben führen. Doch die Strukturen verändern sich. Und das tun sie ohnehin, ganz gleich ob es uns gefällt oder nicht. Die steigende Zahl an Freelancern beweist es. Vor allem in den USA ist dieser Wandel stark ersichtlich. Langfristig wird es auch in Regierungen und großen Organisationen Änderungen geben müssen, denn diese entwickeln sich viel langsamer als die moderne Arbeitswelt.
Arbeitnehmer wechseln heute häufiger den Arbeitgeber – die Ursachen dafür?
Das hat mit der Motivation zu tun. Arbeitnehmer wollen Teil von bedeutender Arbeit sein und sind lieber für Projekte als für Unternehmen tätig. Sie wollen ihre Fähigkeiten verbessern und ständig dazulernen deswegen ist es heute ganz normal, häufiger den Job zu wechseln. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken. Das Konzept für ein Unternehmen bis zur Pension tätig zu sein, ist längst überholt und nicht mehr zeitgemäß.
Sind langfristige Arbeitsverträge nicht mehr zeitgemäß?
Das sehe ich so, es gibt heute keine Jobgarantien mehr. Das hat Einfluss auf die Entwicklung des Managements und die Infrastruktur in Unternehmen. Es gibt wesentlich flachere hierarchische Strukturen und mehr Entscheidungsfreiheit. Für Arbeitnehmer bedeutet das, sein Wissen und seine Fähigkeiten selbst zu entwickeln und sich den entsprechenden, passenden Job zu suchen. Dann macht auch die Arbeit mehr Spaß, denn man tut das, was einem wirklich liegt.
Bedeutet oftmaliger Jobwechsel nicht, sich wesentlich weniger stark mit den Zielen und Idealen des Arbeitgebers zu identifizieren?
Das genaue Gegenteil ist der Fall. In der Vergangenheit wurden Unternehmen als Arbeitgeber aufgrund der Reputation ausgewählt. Heute sucht sich der Arbeitnehmer das Unternehmen anhand des angebotenen Jobs aus. Es geht darum, was man machen wird und ob es sich um ein Projekt handelt, das dem Arbeitnehmer zusagt. Unternehmen haben Visionen und Ziele, während diese verfolgt werden, benötigten sie in unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Mitarbeiter mit unterschiedlichen Fähigkeiten.
Welche Rolle spielen Netzwerke?
Netzwerke und Kontakte sind sehr wichtig, ebenso die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Menschen im Team arbeiten zu können.
Wie schärfe ich als Arbeitnehmer mein Profil, um für Arbeitgeber attraktiv zu sein?
Unternehmen mögen „offene“ Mitarbeiter. Klar ist aber auch: Je mehr Kompetenzen man hat, umso größer sind die Chancen auf den Job. Zugleich ist Spezialisierung unglaublich wichtig. Man sollte sein Fach sehr gut beherrschen. Dank der Technologie war es nie einfacher, an Wissen und Informationen zu kommen. Physisch eine Universität zu besuchen oder einen Kurs zu belegen halte ich heute für nicht mehr notwendig. Es geht im Berufsleben vor allem darum, was man mit seinem Wissen anfängt. Ideal ist es, dieses Knowhow mit anderen Experten zu bündeln, um optimale Ergebnisse zu erreichen.
Umgekehrt: Wie schärfe ich als Arbeitgeber mein Profil, um für Arbeitnehmer attraktiv zu sein?
Primär geht es darum, die richtigen Menschen zu engagieren. Jene, die ähnliche Werte und Visionen haben, wie das Unternehmen. Dann geht es darum, sie mit der richtigen Technologie auszustatten. Wesentlich ist auch, eine Struktur des Vertrauens zu schaffen. Das hat weniger mit traditionellem Management zu tun als mit Coaching. Wir wollen unsere Mitarbeiter motivieren und gute zwischenmenschliche Beziehungen innerhalb des Unternehmens schaffen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich liebe meinen Beruf, er ist Teil meines Lebens. Ich arbeite deshalb auch mit Leidenschaft. Bei Evernote sind wir sehr flexibel was die Arbeitsgestaltung betrifft. Das bedeutet, dass das Team die Möglichkeit hat selbst zu entscheiden, wann es sich persönlich trifft. Wir sind sehr darauf bedacht, die Zeit unserer Kollegen nicht unnötig zu verschwenden. Meetings werden genau geplant, denn über unsere Computer sind wir ohnehin immer zu erreichen.
Über Evernote
Evernote erstellt Apps und Produkte, welche die Art und Weise, wie Einzelpersonen und Teams heute arbeiten, definieren. Evernote ist ein einziger Arbeitsplatz, der auf dem Smartphone, Tablet und Computer ist und an dem man ohne Ablenkung schreiben, Informationen sammeln, nötige Dinge finden und anderen Ideen präsentieren kannst. Evernote hat derzeit mehr als 100 Millionen Nutzer weltweit und 400 Mitarbeiter in elf Büros in zehn Ländern. Mehr als 18.000 Unternehmen nutzen Evernote Business. Nutzerzahlen: Österreich 350.000, Deutschland 3,2 Millionen, Schweiz 600.000
Foto: Evernote
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