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Rollenspiele im Business und Privat: ABW im Gespräch mit Psychologin Dr. Teresa Keller

Wäre es nicht reizvoll, einmal zu überprüfen, ob die Rolle, die wir im Leben ausfüllen, wirklich zu uns passt, statt uns weiter mit anderen zu vergleichen und zu versuchen, äußeren Erwartungen zu entsprechen? Dr. Teresa Keller zu diesen Fragen ein Buch geschrieben. Austrian Business Woman sprach mit der Expertin für Positive Psychologie darüber, wie wir im Leben zufriedener werden und mehr Selbstwertgefühl entwickeln können.

Sie haben das Flourishing Institut gegründet. Was sollen wir uns darunter vorstellen? Was bieten Sie an?

Mit dem Institut möchte ich Menschen dabei unterstützen, mit ihrem Leben zufriedener zu werden und nicht immer irgendwelchen Idealen hinterher zu jagen. Die Wissenschaft belegt, dass eine gute Selbstwahrnehmung und eine positive Lebensausrichtung zu mehr Zufriedenheit, Gelassenheit und dadurch am Ende auch zu mehr Erfolg führen. Der Begriff Flourishing steht für Entfaltung und Lebendigkeit und hat etwas Wachsendes, Leichtes und Aufbauendes. Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen ein solches Lebensgefühl entwickeln würden – eben ein flourishing life.

Und dabei biete ich Unterstützung an, begleitend in Form von Seminaren und Coachings. Ich biete Hilfestellungen beim Erforschen an, was alles in uns steckt und in welcher Weise dieses Potential am besten genutzt werden kann.

Sie thematisieren in ihrem neuen Buch die Selbstinventur. Wie viel Mut gehört dazu, die aktuelle „Lebensrolle“ zu hinterfragen? Wie kann ich mich dazu motivieren?

Unter Selbstinventur verstehe ich einen Moment des Innehaltens und der Selbstreflexion. Es ist wie eine Art Boxenstopp, um das was ist anzuschauen und zu überprüfen: Passt mein Leben eigentlich noch zu dem, was ich mal vorhatte und was ich jetzt gerne mache möchte? Kann ich meine Werte und Ziele verfolgen? Fühle ich mich wohl mit dem, was ist? Dazu bedarf es eigentlich weniger Mut, als viel mehr eine grundsätzliche Bereitschaft hinzuschauen.

Es entlastet uns oftmals eher, selbst wenn wir erkennen, dass wir radikale Veränderungen in unserem Leben vornehmen müssen – was nebenbei gesagt nur ganz selten vorkommt. Viel häufiger sind es kleine Varianten, andere Einstellungen oder neue Perspektiven, die zu einer zufriedeneren Haltung führen. Die Motivation entsteht ganz schnell bei den ersten Erkenntnissen, wenn sich das Leben plötzlich viel entspannter und lebendiger anfühlt.

Warum fällt es uns so schwer zufrieden zu sein? Was können wir tun, um uns selber mehr wertzuschätzen?

Der Mensch ist ein Wesen, das ständig nach Entwicklung strebt. Ein jeder von uns hat das Bedürfnis, sich zu verbessern. Das ist auch gut so und hat die Menschheit dahin gebracht, wo wir heute sind. Deshalb liegt es auch in unserem Wesen einem gewissen Veränderungsdrang zu folgen. Unser heutiger Lebensstil steht uns dabei allerdings häufig im Weg. Denn wir kommen nur noch selten dazu wahrzunehmen, was wir bereits erreicht haben, unsere Erfolge zu schätzen und unsere Stärken zu nutzen und von diesem Ausgangspunkt dann zu überlegen, wohin es weiter gehen soll. Wir sind stattdessen darauf gepolt, genau dort hin zu schauen, wo etwas nicht klappt. Paradoxerweise kennt aber jeder von uns die Momente, in denen wir uns entspannt zurück gelehnt haben, etwas genossen haben und uns gefreut haben über uns. Diese Momente geben uns Stärke und Kraft. Das können Kleinigkeiten sein! Allein mal wahrzunehmen, was wir an Herausforderungen im Alltag meistern, hilft uns eine positivere Beziehung zu uns aufzubauen. Ich möchte jeden gerne ermutigen, sich ein neues Bewusstsein für seine/ihre Stärken aufzubauen.

Gibt es die wahre Rolle meines Lebens überhaupt? Oder ist eine im Wandel befindliche Erscheinung?

Nein, die eine Rolle im Leben gibt es nicht. Wir haben bestimmte Stärken und Schwächen,  Fähigkeiten, Talente, machen Erfahrungen und versuchen uns, mit all dem ständig auseinander zu setzen. Und dazu bieten uns die verschiedenen Rollen, die wir im Leben leben, verschiedene Möglichkeiten. Meine Rolle als Angestellte oder Führungskraft ist sowohl stark beeinflusst von meiner persönlichen Entwicklung, als auch von dem jeweiligen Umfeld. Insofern unterliegen diese Rollen auch tatsächlich ständiger Veränderung. Nehmen sie nur die Rolle als Tochter: Mit jedem persönlichen Entwicklungsschritt ändert sie sich. Umso wichtiger ist es, diese Rollen immer wieder zu überprüfen: was ist Gewohnheit, was tut mir gut und welche Rollen kosten mich Kraft?

Aus der Praxis: Wer leidet mehr an unpassenden Rollen - Männer oder Frauen?

Das ist schwer zu beantworten. Männer leiden da ebenso wie Frauen. Rollen, die nicht zur Persönlichkeit passen, sind für beide Geschlechter eine Belastung. Frauen leiden allerdings häufiger unter Rollenkonflikten. Die Rollen als Führungskraft, Partnerin und Mutter vereint in einer Person, führen immer wieder zu Konflikten. Da werden unbewusst immer noch Erwartungen an bestimmte Rollen geknüpft, die uns das Leben nicht immer leichter machen. Und immer wieder erlebe ich es, dass Frauen auf anspruchsvolle Aufgaben und verantwortungsvolle Posten verzichten, nur um weitere Rollenkonflikte zu vermeiden.


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Rollenspiele im Business und Privat: ABW im Gespräch mit Psychologin Dr. Teresa Keller

Hat das Ausleben der eigenen Stärken etwas mit Egoismus zu tun? 

Auf keinen Fall. Erstens gibt es ja auch Stärken, wie soziale Intelligenz oder Bindungsfähigkeit. Also Stärken, die schon in ihrem Wesen das Gegenüber mit einbeziehen. Zum anderen sollte man gerade das, was man tendenziell gut kann, mehr tun. Dadurch werden wir immer besser und haben Erfolgserlebnisse und nehmen unserer Einzigartigkeit war. Wofür wir dann unsere Stärken nutzen ist noch mal eine ganz andere Frage. 

Wie sieht so eine Selbstinventur aus? Ist sie leicht zu bewerkstelligen?

Bei der Selbstinventur geht es vor allem darum zu erkennen, was alles vorhanden ist. So wie in einem Supermarkt erst mal geprüft werden muss, was alles noch in den Regalen liegt. Für eine Inventur des Selbst sind folgende Fragen hilfreich: Welche Stärken habe ich? Welche Erfolge waren für mich wichtig? Wie gehe ich mit meinem inneren Kritiker um? Bei welchen Tätigkeiten blühe ich gerade zu auf und habe ich davon genügend Nutzungsmöglichkeiten in meinem Alltag? Bis hin zu: Warum mache ich das, was ich da gerade mache, eigentlich? Diese Fragen sind nicht immer so leicht zu beantworten. Deswegen ist es auch so wichtig, sich ein wenig Zeit zu nehmen und sich vielleicht auch mal mit Freunden oder Kollegen auszutauschen. Denn die eigene Wahrnehmung ist nicht immer die richtige.

Sie gelten als Expertin für Positive Psychologie - wie nutzen Sie diese für sich?

Vor allem durch den unaufhörlichen Versuch, die Dinge und Geschehnisse immer durch mehrere Perspektiven wahrzunehmen. Das hat mir schon viele schwierige Situationen erleichtert, da sich durch die unterschiedlichen Perspektiven auch häufig neue Lösungsmöglichkeiten ergeben. Aber auch die stärkenorientierte Haltung macht einem das Leben so viel angenehmer. Gute Leistung zu erbringen macht dann Spaß und kostet so viel weniger Kraft, da ich viel häufiger in einem Flow-Zustand bin, in dem ich Raum und Zeit vergesse und einfach nur hochkonzentriert bin. Viele kleinere Übungen, wie zum Beispiel das Dankbarkeitstagebuch, wende ich immer mal wieder an, wenn ich Bedarf habe.

Ist es Angesicht der vielen Kriege und Katastrophen überhaupt möglich, ein positives Bild von seiner Umwelt zu entwickeln?

Das ist tatsächlich nicht ganz einfach und ist ein Einwand, den ich immer wieder höre. Aber wir kennen auch alle die Situation, wenn es einem Freund oder einer Freundin schlecht geht. Wir können nur wirklich gut helfen, wenn es uns selber gut geht, wir etwas zu geben übrig haben. So ähnlich sehe ich das auch bei dieser Frage. Wenn ich eine gute Selbstwahrnehmung habe und nach meinen Werten und Zielen lebe, dann profitiert auch mein Umfeld davon. Denn der Mensch ist ein Wesen, das sich soziale Zugehörigkeit wünscht. Wenn jeder Mensch sich auf diese Weise umsichtig und aufrichtig verhält, werden wir eine bessere Gesellschaft aufbauen. Das braucht allerdings noch einiges an Zeit und Geduld, ich bleibe aber optimistisch.

Was raten sie Businessfrauen, die trotz Karriere eine innere Leere empfinden?

Diese innere Leere sollte man ernst nehmen. Denn in diesem Zustand kostet die gleiche Arbeit sehr viel mehr Energie und Anstrengung. Diese innere Leere hat immer auch einen Grund. Oft sind das konkrete Probleme: Dass jemand keine Möglichkeiten hat, seine wahre Stärken sinnvoll zu nutzen, oder das Gefühl nicht wirklich mitgestalten zu können, oder der Eindruck vieles zu machen aber davon wenig richtig zu machen, weil die Konflikte zwischen den verschiedenen Rollen zu stark werden. Im schlimmsten Fall auch alles gleichzeitig. Gerade in solch einer Situation kann es sehr hilfreich sein, die Möglichkeit einer Selbstinventur in Betracht zu ziehen. Damit übernehmen wir selbst wieder die Verantwortung – und füllen unser Leben wieder mit Sinn, Freude und Erfolg.

Foto: Simon Koy

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