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Paarlauf oder Hindernisparcour: Familien-freundliche Arbeitgeber auf der Überholspur

Familie liegt im Trend; gerade bei jungen Menschen genießt sie einen hohen Stellenwert. Doch Gesellschaft und Unternehmen legen (angehenden) Eltern häufig Steine in den Weg. „Die Arbeitsbedingungen sind mit Familienbedürfnissen sehr oft inkompatibel“, moniert Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal von der Universität Wien. Warum familienfreundliche Unternehmen nur gewinnen können und welche Arbeitsmodelle zu den Bedürfnissen der nachrückenden Generationen passen, erklären der renommierte Arbeitsrechtler und Familienforscher sowie weitere Experten auf der Fachmesse Personal Austria am 09. und 10. November in Wien.
 
Auch wenn die Geburtenrate in Österreich wieder leicht nach oben weist, sieht Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal die Notwendigkeit für einen gesellschaftlichen Wandel und ein Umdenken in den Unternehmen. Schlüssel für ein gelingendes Familienleben seien vor allem die Arbeitsdauer und -verteilung. „Wir haben in Österreich europaweit überlange Arbeitszeiten, vor allem für Männer. Das verstärkt Ungleichheiten innerhalb des Paares und damit Beziehungsfrust“, erklärt der Experte.
 
Unvereinbar mit den familiären Erfordernissen sei auch der hohe Flexibilitätsbedarf in den heutigen Unternehmen – denn von variablen Arbeitszeiten profitierten Familien nur dann, wenn Arbeitgeber mehr Personen beschäftigten, statt von ihren Angestellten zusätzlich eine größere Verfügbarkeit zu erwarten. Unternehmen zahlten dabei keineswegs drauf, betont der Familienforscher: „Wir haben in Österreich eine geradezu absurd hohe Zahl an Überstunden, die ja um mindestens 50 Prozent höher zu entlohnen sind als Normalstunden“, gibt er zu bedenken. Die Mehrarbeit führe zudem zu Überlastungen und bedinge damit hohe Krankenstände.
 
Ideal: 35-Stunden-Woche für Männer und Frauen
 
Die Lösung liegt auf der Hand: „Wenn beide Elternteile etwas geringere Arbeitszeiten haben, können sich beide um die Kinder kümmern“, erklärt Dr. Mazal. In Befragungen wünschten sich Männer und Frauen Arbeitszeiten von etwa 35 Stunden in der Woche. Eine weitere Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei eine ausreichende Zahl an Kinderbetreuungseinrichtungen. Dies bedeute aber nicht, dass jeder Arbeitgeber einen eigenen Kindergarten betreiben sollte – im Gegenteil: „Die Menschen wünschen sich in aller Regel Kinderbetreuung im familiären Wohnumfeld“, weiß der Experte. Betriebskindergärten seien generell eher für Großunternehmen interessant; kleinere Unternehmen könnten hingegen den Bau oder Betrieb von lokalen Kinderbetreuungseinrichtungen unterstützen oder Sponsoring dafür betreiben.
 
Wichtiger Bestandteil im Employer Branding 
 
Doch ist die Gesellschaft schon so weit, Vätern und Müttern jeweils den gleichen Anteil an der Erwerbs- und Familienarbeit zu überlassen? „Zweifellos ist hier ein gesellschaftlicher Wandel notwendig“, sagt Dr. Mazal. Junge Leute hielten aber schon heute Ausschau nach neuen Lebens- und Arbeitsmodellen und entsprechend aufgestellten Arbeitnehmern. Entscheidend sei, dass Personalverantwortliche den hohen Stellenwert von Familienfreundlichkeit zur Mitarbeiterbindung richtig einschätzten und bedienten– und zwar nicht nur in Form von Lippenbekenntnissen. „Wenn sich Unternehmen tatsächlich familienfreundlich verhalten, gewinnen sie loyale, hochproduktive und effizient arbeitende Mitarbeiter“, ist der Forscher überzeugt.
 
Ausgewogenes Verhältnis von Privat- und Berufsleben 
 
Steffen Zoller, Geschäftsführer der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu, und Mag. Elisabeth Wenzl, Geschäftsführerin von Familie & Beruf Management, teilen diese Auffassung: Auch sie sehen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen zentralen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Besonders die jetzt nachrückenden Generationen auf dem Arbeitsmarkt legten Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privat- und Berufsleben. Dabei gehe es nicht allein um Familienfragen, sondern um einen generellen Gesellschaftstrend, mit dem sich Arbeitgeber auseinandersetzen müssten.
 
Jobsharing: Auch für Führungskräfte interessant
 
Die wachsende Arbeitslast auf mehreren Schultern zu verteilen, ist auch auf gehobenen Posten vorstellbar und sinnvoll. „In Zeiten, in denen Führungskräfte zunehmend unter Druck stehen, sind neue Führungsmodelle gefragt, durch die sie entscheidungsfähig bleiben und entlastet werden“, erklärt Mag.a Manuela Vollmann. Die Geschäftsführerin von abz*austria, Verein zur Förderung von Arbeit, Bildung und Zukunft von Frauen, gibt auf der Messe Einblick in die gelebte Praxis von Tob Job Sharing, bei dem zwei Führungskräfte gemeinsam und gleichberechtigt führen.
 
„Dass auch gut gehende Unternehmen Führungsfunktionen teilen, habe ich schon vor über 30 Jahren gesehen, als ich kurz bei IBM gearbeitet habe“, berichtet Dr. Mazal und sieht in diesem Ansatz eine reelle Chance. „Ein Appell an die Autonomie der Arbeitnehmer, die Arbeitsleistung kooperativ mit anderen zu gestalten, ist zweifellos sinnvoll; nicht für alle Arbeitsplätze kommt so etwas allerdings in Betracht“, so die Einschätzung des Experten.

Foto: Shutterstock/wavebreakmedia

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