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#wirsinddie-zukunft: Junge Ärztinnen und Ärzte diskutieren über ihre Zukunft
Die Zukunft des ärztlichen Berufes und die Zukunft der jungen Ärztinnen und Ärzte stand am Samstag im Mittelpunkt der zweiten Auflage von #wirsinddiezukunft, einer von der Bundeskurie Angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) organisierten Konferenz. Einig waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass das österreichische Gesundheitssystem stagniert und womöglich durch Einsparungen verschlechtert wird. „Um etwas zu ändern, müssen wir alle die Ärmel hochkrempeln und das System neu denken. Das ist mit ein Grund, warum es #wirsinddiezukunft heuer bereits zum zweiten Mal gibt“, sagte Karlheinz Kornhäusl, stellvertretender Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte und Obmann der Bundessektion Turnusärzte. Wenn man als junger Arzt das Studium beende, werde man derzeit in ein System katapultiert, das nicht mehr zeitgemäß sei. Kornhäusl: „Ärztinnen und Ärzte haben heute andere Vorstellungen als vor 20, 30 Jahren.“
„Ihr seid die Zukunft. Ihr müsst die Versorgung der Bevölkerung übernehmen und eine Neuorientierung vornehmen“, sagte ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger in seinem Eröffnungsstatement. Junge Ärztinnen und Ärzte müssten ihr Berufsumfeld selbst gestalten anstatt sich in ein System zwängen zu lassen. Gleichzeitig sei zu berücksichtigen, dass der Umgang mit Patienten sich verändert habe, so Wechselberger:
„Patientenautonomie löst die alten paternalistischen Strukturen ab. Die Ärztinnen und Ärzte müssen kommunizieren, was das Beste für die Patienten ist und gleichzeitig herausfinden, was die Patienten wollen, wie ihre Wertvorstellungen gelagert sind.“ Die Reaktion auf die Frage „Will ich bis zur Pension in diesem System arbeiten?“ dürfe nicht die Abwanderung ins Ausland sein, plädierte der ÖÄK-Präsident an die zahlreich anwesenden jungen Medizinerinnen und Mediziner. „Werdet aktiv. Verändert das System“, so Wechselbergers Appell.
Es bedürfe eines funktionierenden Gesundheitssystems, das sich künftig jedoch anderen Herausforderungen stellen werde müsse als bisher, ergänzte ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann Harald Mayer. „Diese Herausforderungen – etwa die Frage, wie ältere Menschen versorgt werden können, wenn sie nicht mehr zu Hause im Familienkreis gepflegt werden – werden die jungen Kolleginnen und Kollegen ihr ganzes Berufsleben lang begleiten“, hielt Mayer fest. Es sei daher essenziell, optimale Rahmenbedingungen sowohl in der Ausbildung als auch für den Arbeitsalltag und damit für die beste Patientenversorgung zu schaffen, so der Bundeskurienobmann weiter. „Die Politik ist diesbezüglich derzeit auf keinem guten Weg“, konstatierte Mayer mit Blick auf die Art. 15a-Vereinbarungen. In den Gesprächen mit politischen Vertretern fehle die Augenhöhe, und Kostenreduktion verbessere weder die Qualität noch die medizinische Versorgung.
EU-Kritik an österreichischer Spitalslastigkeit
Die Brüsseler Sicht auf das österreichische Gesundheitswesen stand anschließend im Mittelpunkt des ersten Themenblocks. Marc Fähndrich, Berater für wissenschaftspolitische Koordinierung im Europäischen Semester, hielt fest, dass Österreich vor großen Herausforderungen stehe. „Die Kooperation von Bund und Ländern ist problematisch. Hier wird viel Geld verschwendet, was sich stark aufs Gesundheitswesen auswirkt“, so Fähndrich. Die Tragfähigkeit des Gesundheitssystems müsse gewährleistet werden, so der Experte weiter, der in weiterer Folge die Spitalslastigkeit in Österreich kritisch beleuchtete. Im Hinblick auf die Primärversorgung hielt Fähndrich fest, dass diese derzeit schlecht ausgebaut sei und in Österreich de facto die Zwei-Klassen-Medizin schon Einzug gehalten habe. „Besser wäre es, die Primärversorgung mit einer Gatekeeperfunktion zu versehen und beispielsweise das exzessive Ausmaß der Hospitalisierung zu reduzieren“, gab Fähndrich einige Empfehlungen der EU-Kommission wieder.
Wie mit „Dr. Google“ umgehen?
Patientenautonomie, Empowerment und der Umgang mit „Dr. Google“ bildeten den zweiten Schwerpunkt der Konferenz. „Jeder Mensch hat das Recht, über sein Schicksal selbst zu entscheiden. Dazu gehört auch das Recht, aus medizinischer Sicht unvernünftige Entscheidungen zu treffen“, betonte Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt. Der Arzt wiederum müsse die Entscheidungen seiner Patienten respektieren und akzeptieren. Gleichzeitig obliege es dem Arzt, den Patienten ausführlich über seine Krankheiten und mögliche Behandlungen aufzuklären – auch dann, wenn der Patient aufgrund einer Internetrecherche anderer Meinung sei. Druml: „Die virtuelle Suche nach Krankheit birgt ja auch Gefahren. Der Patient entwickelt unter Umständen einen Tunnelblick und sieht nur noch die Informationen, die er sehen möchte. Alles andere wird ausgeblendet. Und: Je mehr man sucht, umso mehr eindeutige Informationen wird man finden.“ Im schlechtesten Fall könnte der Patient so Vorurteile und „Eigendiagnosen“ entwickeln, mit denen sich der Arzt auseinandersetzen müsse.
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