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Haben wir (noch) die Wahl? – Experten diskutierten den Einsatz von News-Tech in der Politik
Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes lieferten mit den Enthüllungen rund um diverse politische Fakeprofile eine Steilvorlage zum heutigen APA-IT-BusinessBreakfast. Die Expertenrunde, Nikolaus Forgó (Universität Wien), Katharina Schell (APA), Markus Sulzbacher (derStandard.at), Andre Wolf (mimikama) und Claudia Zettel (Futurezone.at), diskutierte das Potenzial von Technologie zur Beeinflussung von Meinungen und was es aus rechtlicher und sozialer Sicht braucht, um falschen Informationen nicht auf den Leim zu gehen. Alexander Falchetto, Geschäftsführer APA-IT, begrüßte rund 90 interessierte Gäste und versprach einleitend: „Hier auf dem Podium wird es keine Fake News geben.“
Der Keynotespeaker und Professor für IT-Recht und Rechtsinformatik Nikolaus Forgó sprach zu Beginn das 2017 in Deutschland in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz an. Was kompliziert klingt, scheint es in diesem Fall auch zu sein. Hasskampagnen oder Fake News, d.h. rechtswidriger Inhalt, sollen nach Eingang einer Beschwerde innerhalb von sieben Tagen entfernt werden, bei offensichtlich rechtswidrigem Content sogar innerhalb von 24 Stunden. Bei Verstoß ist mit hohen Geldstrafen zu rechnen. Die Umsetzung ist laut Forgó schwierig und generell fraglich: „Superaggregatoren wie Facebook oder Google wird damit eine Torwächterfunktion zugesprochen. Sie sollen entscheiden, was wahr ist und was nicht.“ Außerdem: Das Internet sei grenzenlos. Eigene nationale Standards könnten schwer umgesetzt werden. Intelligenz, die automatisch entscheidet, welcher Inhalt in welchem Land rechtswidrig ist, gäbe es nicht. In Österreich wird derzeit die Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes geprüft.
Investition in Medienkompetenz
Sinnvoller als neue Gesetzesentwürfe sei die Investition in Medienkompetenz, war sich das Podium einig. Wolf von Mimikama hat täglich mit Userfragen zu Internetinhalten zu tun. Der Verein arbeitet seit 2011 daran, Internetmissbrauch, Internetbetrug und Hoaxmeldungen entgegenzuwirken und aufzuklären. Fokus liegt vor allem auf sozialen Medien wie Facebook, Twitter und WhatsApp. „Neben der Aufklärung von Schülern müssen auch Erwachsene selbstkritischer werden, z.B. die Zielgruppe von Männern zwischen 40-60 Jahren. Die Frage ist, wie man erreichen kann, die Lust daran zu wecken, Inhalte zu hinterfragen und Meinungen zu revidieren.“
Zettl stimmte zu: „Social Media zu verteufeln, ist sinnlos. Wir selbst genießen die sozialen Netzwerke ja auch. Das Problem in Schulen ist, dass es kaum Personal gibt, dass diese Kompetenz vermitteln kann.“ Zudem gäbe es keine ausreichenden finanziellen Förderungen, denn Anfragen von Schulen für Vorträge erhält der Verein Mimikama laufend, denen sie auf ehrenamtlicher Basis jedoch nicht nachkommen könnten.
Als langjährige Journalistin war Schell die Forderung nach mehr Medienkompetenz nicht neu: „Dieser Wunsch wird bereits seit 30, 40 Jahren auf Podiumsdiskussionen geäußert. Damals ging es darum, nicht alles zu glauben, was in Boulevardmedien verbreitet wurde.“ Schell betonte allerdings, dass auch die journalistische Zukunft digitale Kompetenz und neue Tools brauche. Forgó ergänzte: „Bereits zu Zeiten Ramses II. gab es Fake News. Heutzutage müssen die Menschen lernen, dass nicht alles, was im Netz steht, wahr und vertrauenswürdig ist und nicht zwangsläufig von Menschen stammt.“
Keine Gefahr von Social Bots für österreichische Wahlen
Während Fake News eine gezielte Täuschungsabsicht zum Ziel haben, sind Social Bots automatisierte Meinungsroboter in sozialen Netzwerken, die zu digitalen Propagandazwecken missbraucht werden können. Sie liken Tweets, antworten und pushen damit ein Thema, welches suggeriert, dass es eine breite Bevölkerungsschicht interessiere. Sie kreieren ein kollektives Meinungsklima. „Mit dem Wissen muss man Twitter richtig einschätzen. Wie wertvoll ist es, Diskussionen zu folgen, die unter Robotern geführt werden?“, fragte Sulzbacher.
„Keinen Grund zur Technophobie“, sieht Schell: „Die Ursache für die Ereignisse vergangener Woche lieferte der Faktor Mensch – kein Roboter. Sobald werden keine Armeen von Social Bots durch unser Land marschieren.“ Auch eine Auswertung von APA-DeFacto bestätigt dieses Bild. Während der Elefantenrunde auf Puls 4 am Sonntag, 24. September, wurden 24 Stunden lang die Hashtags #puls4, #nrw17 und #nrw2017 auf Twitter ausgewertet. Von den 2.494 aktiven Usern wurden sechs Accounts als Social Bots eingestuft, die 52 Posts absetzten - von insgesamt 15.036 Postings. „Damit kamen die Meinungsroboter laut APA-DeFacto auf einen Anteil von 0,3 Prozent des Gesamtdiskurses“, resümierte Klemens Ganner, Geschäftsführer APA-DeFacto, und kündigte an, diese Analyse am kommenden Wochenende nochmals durchzuführen. „Die Thematik des vergangenen Wochenendes wurde durch Menschen verursacht, nicht durch Roboter. Sobald werden keine Armeen von Social Bots durch unser Land marschieren“, verdeutlicht Schell und ergänzte: „Auch die journalistische Zukunft braucht digitale Kompetenz und neue Tools.“
Falsche Meldungen erkennen
„Filterblasen waren und werden immer für unser Überleben wichtig sein“, betonte Forgó, denn ohne sie wären wir mit zu viel Kompliziertem, das gleichzeitig passiert, überfordert. Aufmerksam zu sein, z.B. keine Menschen mit anderen Meinungen von Facebook zu „entfreunden“ und zu eruieren, woher eine Nachricht kommt (Historie eines Profils, Frequenz und Themen der Nachrichten, Profilinformationen), seien gute Parameter, um im Alltag mit Informationen umzugehen.
Foto: APA-Fotoservice/Tanzer