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Blockchain: Ein bisschen Hype, ein bisschen Revolution

Die Blockchain-Technologie – quasi ein geteiltes und sicheres Kassabuch – könnte massive Umbrüche nach sich ziehen, auch wenn die tatsächliche Ausprägung wie zu den Anfangszeiten des Internet noch nicht absehbar ist. Für viele Branchen ist es aber schon höchst an der Zeit, sich mit der „Quelle der Wahrheit“ auseinanderzusetzen, erklärten Experten bei einer Podiumsdiskussion der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) gestern, Donnerstagabend, in Linz.

Begonnen hat alles just im Jahr der Bankenkrise 2008, als in einem unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlichten Dokument erstmals die Bitcoin-Technologie beschrieben wurde – als bewusste Alternative zum herkömmlichen Finanzsystem. Im Jahr 2013 hat dann Vitalik Buterin die Blockchain-basierte Plattform Ethereum mitgegründet. „Da ging es nicht mehr nur um Geld, sondern um sogenannte Smart Contracts – Programme in der Blockchain, die eine umfangreiche Automatisierung verschiedener Prozesse erlauben“, sagte Thomas Zeinzinger, Gründer des BlockchainHub Graz.

Das könnte das noch stotternde Internet der Dinge (IoT) beschleunigen und die Abrechnung zwischen Maschinen ermöglichen. Im Energiebereich lasse sich das komplexe System aus Produzenten, Konsumenten und Versorgern mit der Blockchain automatisiert und sicher abbilden. Autonome E-Fahrzeuge, die in der Stadt zirkulieren, könnten über die eigene digitale Brieftasche unterwegs Strom kaufen. „Und es wird weiter Finanzorganisationen geben, aber klassische Banken sind nicht mehr notwendig“, so Zeinzinger über mögliche Anwendungsgebiete.

„Aber nicht alles verlangt nach der Blockchain“, erklärte Mikhail Arshinskiy von Deloitte Österreich im Hinblick auf den Einsatz in Unternehmen. Der Hype gehe so weit, dass viele die Technologie auch dort anwenden wollten, wo es gar nicht sinnvoll sei, mahnte er als „Stimme der Vernunft“. Oft würde eine herkömmliche Datenbanklösung völlig ausreichen. Unternehmen sollten Blockchain jedenfalls sowohl als Technologie als auch Wirtschaftsmodell berücksichtigen – wenn auch mit der gebotenen Vorsicht.

„Kuscheln entlang der Wertschöpfungskette“

Zwar eigne sich nicht jeder Anwendungsfall für die Blockchain. Wenn aber doch, sei das Einsparpotenzial durch optimierte und beschleunigte Prozesse enorm, meint auch Christian Minarovits von IBM Österreich. So könnten Banken die Exportfinanzierung schneller und billiger abwickeln. Für viele Organisationen sei zwar noch nicht nachvollziehbar, wo ihr Vorteil liege. Aber erste Anwendungen, etwa im Produktionsbereich, würden hier bald Klarheit bringen. „Die Unternehmen kuscheln jetzt schon entlang der Wertschöpfungskette und das wird noch intensiver. Durch die Blockchain kann jetzt das bisher teilweise fehlende Vertrauen hergestellt werden“, so Minarovits. 

Geschlossene Blockchains hätten zudem den Vorteil, dass dafür keine Krypto-Währung notwendig sei. Beim offenen Bitcoin-System gebe es ja einen kaufmännischen Anreiz: Die Miner würden Bitcoins als Belohnung für ihre Anstrengungen erhalten, die Anwendung fälschungssicher zu machen. Bei einer geschlossenen Community gebe es weniger Prüfaufwand, weil mehr Vertrauen herrsche, und damit sei auch eine schnellere Transaktionsrate möglich. So stehen sieben Transaktionen pro Sekunde bei Bitcoin beispielsweise rund 2.500 Transaktionen bei Visa gegenüber, erläuterte Zeinzinger.

Kritik kommt von den Experten am Bitcoin-Protokoll auch, weil das Mining enorm energieaufwändig ist. „Im Jahr 2020 könnte der Energieverbrauch des Staates Dänemark notwendig sein, um Bitcoin am Leben zu erhalten“, so Minarovits. „Da tut mir das Herz weh. Das ist eine Energievernichtung sondergleichen. Bitcoin ist eigentlich eine dumme Anwendung der Blockchain“, ergänzte Josef Zöchling von Wien Energie.

Erster internationaler Gashandel über Blockchain

Durch den intelligenten Einsatz der Blockchain würden sich die sehr komplexen Abläufe im Energiehandel jedenfalls deutlich vereinfachen und beschleunigen lassen. „Das zeigen auch Praxistests. So haben wir mit Partnern den ersten realen internationalen Gashandel über Blockchain-Technologie weltweit durchgeführt“, sagte Zöchling. Damit könnten die Transaktionskosten im Vergleich zu den derzeit eher bürokratischen Abläufen deutlich gesenkt werden. 

„Wir sind bereits Teil einer privaten Blockchain, zu der sich 28 internationale Energiehändler zusammengeschlossen haben. Wir wissen noch nicht, was diese Systeme kosten. Aber der Druck auf die Intermediäre steigt und die Transaktionskosten sinken“, sieht der Experte bereits erste Auswirkungen. Bisher hätten die durch „Mittelsmänner“ entstehenden Kosten die ohnehin niedrige Marge spürbar reduziert. Ob die Blockchain der neue Standard im Energiehandel werde, bleibe aber abzuwarten.

„In drei bis fünf Jahren wird jedenfalls keiner mehr fragen, ob Blockchain ein Hype oder ein Allheilmittel ist. Vielmehr wird sie Schritt für Schritt im Alltag eingesetzt werden“, resümierte Zeinzinger.

Foto: APA/APA-Fotoservice/Greindl 

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