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Klasse statt Masse: Stefanie Lin, Gründerin der innovativen Schuhmarke VIOS im Austrian Business Woman-Interview

Stefanie Lin, Gründerin der innovativen Schuhmarke VIOS im Austrian Business Woman-Interview über Ihre ersten Schritte ins Schuhbusiness, familiäre Einflüsse und ihr Motto „Qualität statt Masse“.

Ihr Vater ist Vorsitzender der Geschäftsführung und Mehrheitseigentümer der Grazer Schuhfabrik Legero. Wollten Sie immer schon in seine Fußstapfen treten?

Stefanie Lin: Naja, ich bin ja nicht direkt in seine Fußstapfen getreten. Mit 19 Jahren ging ich nach Italien und habe ein Bachelorstudium in Modedesign auf der Universität von Florenz begonnen und absolviert. Kreativität war mir immer schon wichtig, aber zu Schuhen bin ich eigentlich erst durch ein Praktikum bei ADIDAS gekommen, wo ich in der Produktentwicklung für die High Fashion-Linie tätig war. In diesem Bereich habe ich mich intensiv mit Schuhen und Accessoires auseinandergesetzt und so ist dann auch meine Leidenschaft für Leder und Schuhe entstanden. Danach habe ich ein paar Jahre in London gearbeitet und mir überlegt, einen Master in  Footwear-Design zu machen. Die Idee habe ich aber wieder aufgegeben da mir schnell klar wurde, dass den Leuten ziemlich egal ist, woher die Schuhe kommen die sie kaufen. Das ist nicht meine Philosophie.  Also bin ich nach Berlin gegangen und habe dort einen Master-Abschluss in Sustainability (Anm.: Nachhaltigkeit) und Fashion gemacht. Den technischen Hintergrund habe ich mir im Rahmen eines Praktikums bei uns in der Firma geholt. Diese Ausbildung und mein Praktikum bei ADIDAS haben dazu geführt, dass ich das Konzept eines biologisch abbaubaren Schuhs im Rahmen meiner Abschlussarbeit entwickelt habe. Das war eigentlich der Beginn von VIOS.

Wann entschieden Sie sich, wieder nach Österreich zurückzukommen?

Es war toll, mit den Leuten von Legero zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie inspiriert und motiviert sie waren, wenn es darum ging, andere Lösungswege für die Herstellung von Schuhen zu finden. Nach dem Studium bin ich deshalb wieder nach Graz gekommen.

Man könnte sagen, Ihr Vater geht eher den konservativen Weg des klassischen Schuhherstellers und Sie haben die kreative und innovative Richtung eingeschlagen. Kann es da nicht zu Problemen kommen?

Mein Vater ist 56 Jahre alt und ein Unternehmer der alten Schule. Wenn man wie ich Nachhaltigkeit zum Prinzip erhoben hat, ist man in gewisser Hinsicht sicher extremer, zum Beispiel was die Schadstofffreiheit und gewisse Materialvorgaben betrifft. In diesen Bereichen sind wir natürlich nicht immer der gleichen Meinung. Dennoch bin ich dankbar dafür, dass mein Vater mich von Anfang an unglaublich unterstützt hat. Ich glaube nicht, dass ich diese Chance in einem anderen Schuhunternehmen bekommen hätte. Auch wenn es manchmal Diskussionen gibt, geht man trotzdem den gleichen Weg.  Meinem Vater war es immer schon wichtig, die besten Schuhe zu machen – diese Einstellung verbindet uns. Außerdem gehört zu Legero ja auch die Marke „Think““ – mit dieser ist mein Vater schon vor mehr als zehn Jahren den Weg der Nachhaltigkeit gegangen, ein Schuh-Modell hat sogar, nach strenger Prüfung, das Österreichische Umweltabzeichen bekommen. Die Gründung von VIOS war er nächste Schritt auf unserem Weg noch nachhaltigere Schuhe zu machen. Unser Ziel ist, dass das Konzept der Materialauswahl und Herstellung langfristig in alle Marken einfließt.

Wie entstand die Idee zu VIOS?

Ich habe während des Studiums einen tollen Professor und Öko-Pionier kennengelernt, der ein fundamentales Wissen hinsichtlich ökologischer Materialien hatte. Da wurde mir erstmals klar, wie wenig nachhaltig die Schuhindustrie ist. Eine Einschulung bei einem Öko-Lederhersteller in Deutschland hat mir dann endgültig die Augen geöffnet. Er erklärte mir, dass für die herkömmliche Ledergerbung Chrom verwendet wird, das nicht nur für die Umwelt sondern auch für den Menschen extrem schädlich ist. Ab diesem Zeit stand für mich fest, was ich machen möchte. Schuhe sind ein kreatives Produkt, man kann nicht nur neue Designs sondern auch neue Materialien entwickeln. Ein Kinderschuh besteht beispielsweise aus 30 bis 45 Einzelteilen und mehr als 200 Lieferanten für nur einen Schuh. Man muss sich einmal vorstellen, wie riesig diese Lieferkette ist und wie viele Rohstoffe verwendet werden. Ich fragte mich damals sofort: Wie kann man Materialien reduzieren? Braucht man wirklich alle, die in Schuhen drinnen sind? Ich habe so viele Leute kennengelernt die den gleichen Gedanken haben und denen dieser Ansatz auch wichtig ist. Und das Thema ist branchenübergreifend, ich arbeite auch mit Leuten aus der Autoindustrie zusammen, die vorher nie etwas mit Schuhen gemacht.

Warum sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz so wichtig für Sie?

Ich bin am Land aufgewachsen und mir war die Umwelt immer schon sehr wichtig. Ich kann mich erinnern, dass ich mit meinen Brüdern immer den Wald aufräumen gegangen bin. Früher war das ja noch so, dass Leute im Wald ihren ganzen Müll abgelagert haben – von Kühlschränken bis zu alten Reifen. Als ich aus Graz weggegangen bin, habe ich immer in Großstädten gewohnt und das hat mich teilweise extrem belastet. Von meiner Mutter habe ich ein extremes Gefühl für Qualität. Für mich ist es immer noch eine Überwindung zu Billig-Ketten zu gehen, denn Traditionen und traditionelles Handwerk sowie hochwertige Materialien und Stoffe sind mir extrem wichtig. Ich habe sogar eine Kollektion entwickelt, die als Inspirationsquelle die österreichische Tracht hatte – der ganze Schuh sah aus wie eine Lederhose, ich habe die Ornamente übernommen, also nicht das verändert. Der Sneaker war ein modernes Produkt, aber das traditionelle Handwerk ist auf den Schuh übertragen worden. Da ich neugierig bin, kenne ich mich in unterschiedlichen Bereichen des Umweltschutzes und der Folgen von Umweltschädigung durch die Industrie aus. Für mich gilt daher: Die Verantwortung für die Produkte tragen nicht die Endkonsumenten, sondern ich. Mit meiner Arbeitsphilosophie kann ich ein bisschen dazu beitragen, dass es unserer Umwelt irgendwann hoffentlich ein bisschen besser geht.

Stehen sich der Einsatz für die Umwelt und die Kommerzialisierung eines Produktes nicht im Weg?

Nein, dass glaube ich nicht, weil mein Konzept ja ohnehin nicht Masse, sondern Qualität ist. Unsere Schuhe sind nicht billig. Sie haben ihren Preis, weil die Materialien aus Europa, viele aus Österreich kommen. Wir sind keine  Massenproduktion. Es geht mir nicht darum, den Öko-Gedanken zu „verkaufen“, sondern der Kunde muss ins Geschäft kommen und Gefallen am Schuh finden. Tolles Design und Nachhaltigkeit dürfen sich nicht ausschließen, denn Menschen kaufen Produkte, die ihnen gefallen, mit denen sie sich wohlfühlen, wenn sie dann auch noch gut für die Umwelt sind, ist ein Mehrwert entstanden. Mein Ziel ist es, dass auch Massenprodukte künftig ökologisch abbaubar sind.

Wie wichtig finden Sie denn eine Ausbildung im Ausland?

Ich habe auch ein Jahr in Österreich Kunstgeschichte studiert. Daher bin ich erst mit 19 ins Ausland gegangen. Der Horizont hier war sehr eng. Ich habe im Ausland unglaublich viele tolle Menschen kennengelernt, die so denken wie ich und wir haben ein Netzwerk. Wäre ich nicht ins Ausland gegangen, wäre ich diese Menschen nie begegnet, die mich immer wieder unterstützen und mir weiterhelfen, wenn Fragen haben sollte. Ich glaube, es ist extrem wichtig, seinen Horizont jenseits der Grenzen zu erweitern und andere Kulturen, Traditionen und Sprachen kennenzulernen. Diese Erfahrungen würde ich jedem empfehlen, wenn er die Möglichkeit dazu hat

Hätten Sie einen anderen Berufsweg eingeschlagen, wenn Sie nicht in einem „Schuhumfeld“ aufgewachsen wären?

Ich hätte bestimmt etwas im kreativen Bereich gemacht. Meine Mutter ist eine sehr modische Frau, das hat mich immer fasziniert. Ich glaube deswegen bin ich auch in Richtung Mode gegangen aber auch aus dem Grund weil die Mode eines der wenigen Berufe ist wo man alle möglichen Interessen durchsetzen kann. Ich glaube ich wäre auch sicher in Richtung Accessoires gegangen weil einfach die Materialien wie Leder immer fasziniert haben und weil Accessoires für mich dreidimensionale Objekte sind und bei Kleidung hatte ich nie dieselbe leidenschaft wie bei Schuhen oder Taschen wahrscheinlich wegen dem Technischen Ansatz.

Verraten Sie uns ihre Ziele mit VIOS.

VIOS ist ja eigentlich eine Wissensplattform, die sich mit der Herstellung und Entwicklung von biologisch abbaubaren Schuhen beschäftigt bzw. mit deren industriellen Herstellung. Wir sind noch nicht so weit, denn die Qualität der Materialien erfüllt noch nicht unsere Ansprüche. Aber wir sind auf dem besten Weg unser Ziel zu erreichen. Wir wollen die Schuhindustrie dahingehend antreiben, ein bisschen innovativer zu werden. Ich habe schon so oft von großen Unternehmen gehört sie hätten Angst, die Leute würden ihre konventionellen Schuhe nicht mehr kaufen. Meine Antwort darauf: Die Menschen gehen ja auch in den Supermarkt und kaufen Bio-Produkte und konventionelle Lebensmittel.

Was war Ihre größte Schuhsünde?

Ich war 12 oder 13 Jahre alt und ein unglaublicher Spice Girls-Fan. Da gab es diese Plateauschuhe von der Girlband, zehn Zentimeter hoch und in der Farbe Pink. Die Schüler aus den oberen Klassen haben mich ausgelacht, deshalb habe ich sie nur einmal und nie wieder angehabt.

Foto: VIOS

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