Karriereportraits Industrie
DI Dr. Sabine Herlitschka, Infineon Austria: Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich
Sie ist seit Sommer 2011 Vorstandsmitglied bei Infineon Austria, seit dem Frühjahr 2014 Vorstandsvorsitzende. Sabine Herlitschka wurde in ihrer langen Karriere mehrfach ausgezeichnet, das Industrie-Magazin reihte sie im MangerInnen-Ranking als einzige Frau unter die Top-Ten und der Management Club Kärnten wählte sie zur Managerin des Jahres. Ein Austrian Business Woman-Gespräch über Erfolge und Ziele, Diversität als großes Potenzial, die Technik als attraktives Aufgabengebiet für Frauen und was man für eine Karriere mitbringen muss.
Was waren die Highlights des Vorjahres für Sie?
Wir legen unseren Fokus auf energieeffiziente Technologien, nachhaltige Mobilität und hardwarebasierte Sicherheit. Dadurch ermöglichen wir innovative Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Highlights 2016 sind in diesen Bereichen zu finden. Beispiel dafür sind die Weiterentwicklungen in den Bereichen Elektromobilität und automatisiertes/autonomes Fahren. Auch bei Smart Wearables sind wir aktiv. Diese erfreuen sich aktuell hoher Beliebtheit und entwickeln sich immer mehr zu Modeaccessoires – wie etwa der NFC-Bezahlring, der einen kontaktlosen Sicherheitschip von Infineon Graz nutzt. Mit Freude blicke ich auch auf die Erweiterung unserer internationalen Kindertagesstätte mit nun 120 Betreuungsplätzen oder die Schaffung von Lehrstellen für asylberechtigte Jugendliche in sieben Kärntner Unternehmen im Rahmen eines überbetrieblichen Integrationsprojektes.
Erläutern Sie uns Ihre Pläne und Ziele für 2017?
Unser Ziel ist es, weltweit weiterhin ganz vorne dabei zu sein. Wir sind in einer sehr dynamischen Branche tätig. Deshalb ist es für uns besonders wichtig, frühzeitig weltweite Trends und Chancen zu erkennen und zu nutzen. Wir setzen daher bereits seit Jahren auf die Digitalisierung. 2015 hat Infineon in Villach einen Gebäudeverbund errichtet, in dem Forschung, Entwicklung und Fertigung nach Prinzipien von Industrie 4.0 eng zusammenspielen und weiterentwickeln. Dieses Investitionsprojekt läuft noch bis 2017. Beim Thema Energieeffizienzchips eröffnet die im Vorjahr vom Infineon Konzern abgeschlossene Übernahme des US-Mitbewerbers International Rectifier sowie die anstehende Akquisition von Wolfspeed attraktive Chancen für unseren Standort.
Was zeichnet das Unternehmen aus?
Infineon Austria hat sich in den letzten vier Jahrzehnten von einer verlängerten Werkbank zum Vorreiter für Industrie 4.0 entwickelt. Wir bündeln neben Deutschland als einziger Standort weltweit die Kompetenzen für Forschung und Entwicklung, Fertigung sowie globale Geschäftsverantwortung. Dadurch können wir Themen ganzheitlich in die Hand nehmen. Von der Idee bis zur Vermarktung. Das ist ein großer Vertrauensbeweis in die österreichische Infineon-Organisation, aber auch eine große Verantwortung. Und wir nehmen diese mit viel Energie wahr. Seit 2013 ist Infineon das forschungsstärkste Unternehmen des Landes. Die Basis für diesen Erfolg legen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus rund 60 Nationen. Sie sind es, die Infineon als wichtigen Leitbetrieb in Österreich etabliert haben.
Was ist der Reiz bzw. was ist die Herausforderung an Ihrer Funktion?
Täglich dazu beitragen, dass die Welt mit Technologie intelligent ‚ein bisschen besser‘ wird, ist Reiz und Herausforderung zugleich. Wir entwickeln leistungsfähige Technologien, die das Leben einfacher, sicherer und umweltfreundlicher machen. Etwa durch weniger Energieverbrauch bei Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten und Industrieanlagen oder mehr Komfort, Sicherheit und Nachhaltigkeit von Fahrzeugen.
Ihr Erfolgsrezept?
Arbeiten in vielfältigen Teams – sei es durch Geschlecht, Kultur oder Nationalität. Dadurch werden unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven eingebracht, gemeinsam kommt man damit zu besseren Entscheidungen. Aber auch Menschen und Themen miteinander vernetzen, Projekte anstoßen und treiben, die begeistern. Dabei ist es immer wichtig, seine Grenzen neu auszuloten, über den sprichwörtlichen Tellerrand zu blicken und sich so neue Anstöße zu holen.
In Ihrer Branche gibt es verhältnismäßig wenige Frauen in Führungspositionen - woran liegt das?
Es gibt in Österreich quer durch die Branchen wenige Frauen in Führungspositionen. Letztes Jahr waren es bei den 200 größten Unternehmen Österreichs zwei Frauen, die in führender Position tätig waren, Tatjana Oppitz von IBM und ich. Heuer sind es fünf – das sind nicht einmal 3%! Unserer Gesellschaft ist noch immer merkbar von einem traditionellen Rollenverständnis geprägt, das Technik und Naturwissenschaften stärker Männern zuordnet. In anderen Regionen wie zum Beispiel Osteuropa oder Asien ist das anders. In Asien hat Infineon einen Frauenanteil von rund 50% und ich spreche hier von qualifizierten technischen Jobs. Die Wirtschaft, speziell die Technik, braucht qualifizierte Frauen. Und auch umgekehrt: Frauen, die mit Ambition und Anspruch auf den Arbeitsmarkt gehen wollen, bietet die Technik attraktive Aufgabengebiete. Das ist ein „Königsweg“ aus den traditionellen Frauenberufen mit ihren häufig begrenzten Möglichkeiten.
Setzt das Unternehmen Maßnahmen, um Frauenkarrieren zu fördern?
Infineon Austria hat einen Frauenanteil von 16 Prozent – wir wollen aber mehr, denn in diesem Bereich steckt noch sehr viel Potenzial – für die Frauen und die Wirtschaft, die dringend potenzielle, qualifizierte Arbeitskräfte benötigt. Daher: ja, uns liegt viel daran, Frauen zu gewinnen und für die Technik zu begeistern. Ein großes Thema in dieser Hinsicht ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier sind wir gut aufgestellt, was heuer wiederholt durch das Audit „familieundberuf“ im Rahmen der Re-Zertifizierung bestätigt wurde. Um Beispiele zu nennen: Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen und der Möglichkeit des Teleworking bieten wir auch Betreuungsplätze für Kinder im Alter von elf Monaten bis zum Schuleintritt an und das bilingual (deutsch-englisch mit Native Speakers). Vor drei Jahren wurde eine Internationale Schule gegründet, in der nach Lehrplänen der International Baccalaureate Organisation unterrichtet wird. Darüber hinaus bieten wir Ferienbetreuung für Kinder bis 12 Jahre, Unterstützung in der Karenz oder ein eigenes Technik-Programm für Frauen.
Setzen Sie Maßnahmen, um mehr Mädchen für technische Berufe zu begeistern?
Begeistern ist das eine, das Aufzeigen von Zukunftschancen das andere. Mit zahlreichen Initiativen, sei es in unserer bilingualen Kindertagesstätte mit Schwerpunkt auf Technik, Naturwissenschaften und Internationalität, dem ‚Girls Day‘ für Volksschülerinnen oder dem ‚Womans Day‘ für Studentinnen - um nur ein paar zu nennen – zeigen wir, wie spannend und chancenreich dieser Berufsweg ist.
Die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) bieten ohne Zweifel den Einstieg in Jobs mit großen Zukunftschancen, wenn man an die globalen Megatrends wie Mobilität, Energieeffizienz oder Sicherheit denkt, an denen auch wir intensiv arbeiten.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen?
Ich sehe Diversität in Teams als großes Potenzial. Je unterschiedlicher die Menschen sind, die an unseren herausfordernden Aufgabenstellungen arbeiten, desto vielseitiger, kreativer und erfolgversprechender sind die Lösungsansätze. Infineon setzt beim Thema Diversität klar auf ein starkes Engagement für Frauen in der Technik und in Führungspositionen, Internationalität und Generationenmanagement. Gelebte Zusammenarbeit sorgt für ein befruchtendes Miteinander - innerhalb und außerhalb des Unternehmens wie z.B. durch das Gender-Diversity-Netzwerk an unseren Standorten in Villach und Graz. Auch der Carinthian International Club, ein von Infineon initiiertes Netzwerk für internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Industrie und Wissenschaft, unterstützt nachhaltig die Integration von ausländischen Arbeitnehmern.
Was muss man für eine Karriere wie die Ihre mitbringen?
Neugierde, Begeisterung und allen voran eine gute Ausbildung. Man muss sich etwas trauen und ausprobieren – der berühmte Blick über den Tellerrand, sei es inhaltlich oder geografisch, lohnt sich.
Was empfehlen Sie jungen Frauen, die Karriere machen wollen?
Unbedingt die Ausbildung wichtig nehmen und ehrgeizig sein, denn Ausbildungsentscheidungen sind immer auch Lebensentscheidungen und damit wichtige Weichenstellungen. Und: Frauen in der Technik fallen sowieso auf – machen Sie was daraus und nutzen Sie diese guten Chancen.
Foto: Infineon