Karriereportraits Medien & Telekommunikation
Digital-Expertin Cosima Serban ist überzeugt: Mit der Krise entstehen neue Chancen
Die Digital Expertin und Vizepräsidentin des iab verrät im Austrian Business Woman-Interview, warum die Digitalisierung in allen Lebensbereichen immer relevanter wird und über welche Trends und Innovationen sich Unternehmen – auch nach der Corona-Krise – unbedingt informieren sollten, um geschäftlich den Anschluss nicht zu verpassen.
Bitte beschreiben Sie uns kurz Ihr berufliches Tätigkeitsfeld und wie dieses von den Corona-Folgen betroffen ist.
Nach vielen Jahren in Media- und Digitalagenturen, habe ich mich entschieden, den selbstständigen Weg zu gehen und mein eigenes Business gegründet. Ich beschäftige mich mit Consulting im Bereich Insourcing und dem Aufbau von internen Digitalprozessen, entwickle holistische Digitalstrategien für meine Kunden und betreue digitale Mediaumsetzungen. Mittels Workshops helfe ich unterschiedlichsten Unternehmen, ihre Digitalisierungsvisionen zur Realität zu machen.
Digitale Themen erleben, trotz, oder besser gesagt dank der aktuellen Krisensituation, eine massive Weiterentwicklung. Die Dringlichkeit der Digitalisierung aller Lebensbereiche wird immer relevanter. Die spezialisierungsübergreifende Zusammenarbeit innerhalb wichtigster Unternehmensprozesse erreicht neue Wahrnehmungshöhen und solides Know-How ist gefragter denn je.
Zu Beginn der Krisensituation wurde ich, wie auch einige andere, von der Tatsache überrascht, dass am Markt teilweise Werbeinvestitionen komplett eingefroren wurden. Es war eine Stillstandphase, die zum Glück aber nur eine Momentaufnahme darstellte. Einige Unternehmen haben entdeckt, dass es nicht die Zeit ist, gar nicht mehr zu werben. Basierend auf unterschiedlichen Datenquellen und CRM-Signale, die viel Einsicht in den einzelnen, teilweise einzigartigen Customer Journeys bieten, entdeckten Unternehmen neue Möglichkeiten. So fangen viele damit an, noch intensiver denn je ihre Datensegmente zu analysieren und sich zu überlegen, was ihre bestehenden und neu identifizierten Zielgruppen aktuell brauchen und wo sie, aufgrund der Änderung ihres Medienkonsums am besten erreicht werden können.
In welchen Bereichen sehen Sie – im Blickwinkel auf die Corona-Krise – Chancen und Risiken der Digitalisierung?
Mit der Krise entsteht auch die Chance für die Branche, in Zukunft mit noch mehr Transparenz, Fairness, Vertrauen und Qualität, die Zusammenarbeit mit Kunden, Kooperationspartnern und Mitarbeitern zu gestalten. Gute Projekte, Strategien und Umsetzungen bauen auf solidem Know-How, Korrektheit und hoher Performance. Das bedeutet automatisch auch, dass während und nach der Krise kein Preisdumping entstehen darf, aus dem Wunsch, schnell die Umsätze in die Höhe zu treiben. Das Beste was wir aus dieser Krise mitnehmen sollten ist, dass Qualität immer die höchste Priorität haben sollte und dass wir solche Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen können. Voller Mut und Hoffnung erwarte ich mir, dass die „neue Normalität“ den Fokus unserer Branche in die richtige Richtung lenkt, die relevante Werte zelebriert und fragwürdige Prinzipien eliminiert.
Ein paar Trends sind allerdings deutliche Zukunftsweiser. Über Live (Video) Shopping können wir uns in Zukunft, entweder zeitbedingt oder aufgrund von Krisensituationen, von Mitarbeitern unterschiedlicher Marken virtuell, kontaktlos und in Echtzeit beraten lassen. Viele Bereiche im Storytelling und Content Marketing werden aufblühen. Conversational Marketing gewinnt immer mehr an Bedeutung, somit müssen Marken ihren Zielgruppen zuhören, diese verstehen wollen und mit ihnen auf Augenhöhe interagieren. Automatisierungsprozesse werden immer mehr die repetitiven Arbeitsschritte übernehmen, Ressourcen sparen und dadurch mehr Raum für Kreativität und Innovation schaffen. Künstliche Intelligenz wird Produktempfehlungen, eCommerce Systematiken und eine große Anzahl an werblichen Möglichkeiten verfeinern. Um nur ein paar Beispiele zu nennen, Podcasting, Voice und Visual Search, interaktive Inhalte, Augmented Reality und 360° Videos werden langfristig eine signifikante Wichtigkeitssteigerung erleben. Spielerische Ansätze können den Kontakt zwischen Interessenten und Marken erhöhen, unabhängig davon ob es potenzielle Mitarbeiter oder Kunden sind. Das erhöht wiederum den Bekanntheitsgrad und die Markensympathie, was langfristig auch mehr Umsatz generiert.
Sie sind Vizepräsidentin des iab, welche Pläne und Ziele haben Sie in dieser Funktion?
Im Interactive Advertising Bureau Austria haben wir eine sehr engagierte Roadmap, um die österreichische Digitalwirtschaft zu stärken. Dabei stehen vor allem die einheitlichen Standards für die Digitalwerbung, die Networking-Möglichkeiten und die Aus- und Weiterbildungen als wesentliche Erfolgsfaktoren im internationalen Wettbewerb im Vordergrund. Ebenso verfolgen wir politische Initiativen auf österreichischer und europäischer Ebene, um für den heimischen Digitalstandort optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. COVID-19 hat die Digitalwirtschaft in mehrfacher Hinsicht getroffen: Die Websitezugriffe lokaler Medien gingen durch die Decke, die Werbegelder aber teilweise leider durch den Boden.
Der Erhalt von Arbeitsplätzen, die Verlagerung ins Homeoffice und die Rückkehr in die „neue Normalität“ stellen die ganze Branche vor enormen Herausforderungen. Die Änderungen bringen aber auch neue Chancen für uns und unsere IAB-Mitglieder. Als größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft, bringen wir die Branche jetzt enger zusammen, damit wir gemeinsam das Beste aus der Situation machen können. Wir haben bereits drei virtuelle „Digi Talks“ zu unterschiedlichen Themen organisiert, um Wissen und Erfahrungen auszutauschen und dieses Format ist bei unserem Publikum gut angekommen. Die Video-Sessions stehen auf unseren iab.austria Kanälen zur Verfügung.
Glauben Sie, dass die digitale Kommunikation zur Aufrechterhaltung des Arbeitsalltags bei den heimischen KMUs ausreichend ist oder gibt es in diesem Bereich Aufholbedarf?
Die aktuelle Situation zwingt und hilft uns zugleich noch selbstständiger zu arbeiten und die Arbeitsstunden so effizient wie möglich einzusetzen und digitale Kanäle helfen uns dabei. Das erlaubt uns auch kreativer mit Themen unterschiedlicher Art umzugehen und zu analysieren was gut und was optimierungsbedürftig läuft. Jetzt hat man die Zeit sich wieder den eigenen Businessplan durchzulesen und zu überlegen, was davon noch stimmt, was angepasst gehört und wo ganz neue Potenziale liegen. Wer aktuell in Planungsphase ist, kann alle Details gründlich ausarbeiten und dann mit voller Power nach der Krise durchstarten.
Es ist die perfekte Zeit, um sich Gedanken auf unterschiedlichen Ebenen zu machen. Die Attraktivität der angebotenen Dienstleistungen und Produkte kann durch reichweitenstark kommunizierte, sinnvolle Inhalte erhöht werden. Überlegen Sie sich welche Kanäle kosteneffizient eingesetzt werden können und welchen Zielgruppen, die dort präsent sind, Sie welche USPs kommunizieren möchten.
Die Auffindbarkeit ist immer wichtig, darum muss auch die Entscheidung getroffen werden, welche Größenordnungen relevant sind. Überlegen Sie sich ob Sie vielfältige Reichweiten und komplexe Anfragen oder „nur“ Nischen zurzeit bedienen können. Wichtig ist auch zu wissen, welche Aktivitäten die Interaktions- und Nutzerfreundlichkeit erhöhen. Brauchen Sie unbedingt sofort eine Website, oder reichen Business- oder sogar Social Media Profile, eine Emailadresse und Telefonnummer? Die Zeit erlaubt auch einen umfangreicheren Check der eigenen Vertriebsmodelle und eine detaillierte Auseinandersetzung mit Themen wie Profitabilität und Zukunftsstabilität.
Anbieter von Websites, Online Shops, Apps, Tools, Dashboards und Internetservices, können die Zeit und das Nutzerfeedback gut nutzen, um eventuelle Probleme innerhalb der User Experience zu entdecken.
Mein Tipp für KMUs ist auf jeden Fall, sich auf digitalen Kanälen zu fokussieren und sich über Trends und Innovationen zu informieren. Abonnieren Sie in diesem Sinne lokale und internationale Fachnewsletter, nehmen Sie bei Videokonferenzen teil, bilden Sie sich in diesem Bereich weiter.
Foto: contrastblack Studio