ABW Logo
austrian-business-woman-alexandra-reinaglpresse

Hart, aber herzlich: Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien, im ABW-Interview

Mag. Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien, bezeichnet sich selbst als Quotenfrau und spricht sich auch klar für eine Frauenquote im Topmanagement aus. Ein Austrian Business Woman-Gespräch über ihren Job und ihre Businessphilosophie.

Hätten Sie sich vor zehn Jahren vorstellen können, dass Sie einmal die Geschäftsführerin der Wiener Linien sein werden?

Lassen Sie mich nachdenken – ich bin seit sechs Jahren hier, davor war ich beim Verkehrsverbund Ost-Region. Nein, ich hätte es mir nicht vorstellen können.

Ist Ihnen Ihr Studium (Anm.: Rechtswissenschaften) im Businessalltag hilfreich?

Ein Studium ist immer hilfreich, weil man das erste Mal nach der Schullaufbahn lernt, sich selbst zu organisieren und sich durchzusetzen. Das alleine hat mir schon geholfen. Am Anfang meiner Karriere war es zudem nützlich, denn ich hatte damals sehr viel mit Vertragsrecht zu tun. Heute hilft es mir im Erfassen komplexer Sachverhalte, man lernt das als Juristin. Ein Studium zu absolvieren macht also durchaus Sinn – diese Meinung gebe ich auch meinem Sohn mit auf den Weg.

Welche Tipps geben Sie Ihrem Sohn sonst noch mit auf den Lebensweg?

Leistungsorientierung ist mir sehr wichtig. Ich erziehe meinen Sohn deshalb eher konservativ. Und es bedeutet mir viel, Werte hochzuhalten, zum Beispiel einen wertschätzenden Umgang miteinander. Trotzdem ist mein Motto: Klarheit vor Harmonie. Auch meinem Kind zeige ich Grenzen auf, so hat es einen Rahmen und weiß, wie es sich verhalten soll. Ich kann damit bei Problemen rechtzeitig entgegensteuern, ich kann aber auch motivieren, indem ich gute und sehr gute Leistungen lobe. Ich verfolge für meinen Sohn das Ziel, dass er die AHS-Matura ablegt, weil er dadurch eine gute Allgemeinbildung erhält. Mit 18 Jahren soll er dann selbst entscheiden, wie sein Bildungsweg weitergehen soll. Wenn junge Menschen mit 14 Jahren nicht gerne akademisch lernen wollen, dann ist es wichtig, die Möglichkeit einer guten Lehrausbildung zu bieten. Ich sehe es als Aufgabe von großen Unternehmen Lehrlinge auch dahingehend zu motivieren, die Matura – im Zuge der dualen Ausbildung – zu absolvieren. Wir haben eine große Zahl an Lehrlingen im Unternehmen und investieren viel Geld in deren Ausbildung, da ich einen Fachkräftemangel kommen sehe. Leider ist bei uns in Österreich das Image der Lehrausbildung noch immer nicht das Beste – das sollte sich endlich ändern.

Weiterbildung ist Ihnen demnach wichtig?

Permanentes Lernen und Weiterbildung halte ich für sehr wichtig – wir bieten den Mitarbeitern diesbezüglich sehr viele Programme im Unternehmen an. Ich persönlich setze sehr stark auf Coaching, denn dann bekomme ich einen Spiegel vorgehalten.

Wie würden Sie Ihre Arbeitsweise beschreiben?

Hart, aber herzlich. Ich verlange viel, habe ein hohes Tempo. Wenn insgesamt ein hohes Niveau bei der Arbeit herrscht, bin ich eher locker. Meine Führung basiert auf Vertrauen. Wenn die Ziele gemeinsam erreicht werden, bin ich stolz darauf und verlasse mich auch beim nächsten Mal auf die Mitarbeiter, in dieser Hinicht bin ich kein Kontrollfreak. Respektvoller Umgang und gegenseitige Anerkennung sind für mich zentrale Säulen des Miteinanders im Job, ebenso der konstruktive Umgang mit Fehlern. Meine Devise lautet: Lieber einmal eine falsche Entscheidung treffen als keine Entscheidung. Sollte ein Fehler passieren, muss man dazu stehen und das Ruder neu ausrichten.

Was waren die bisherigen Highlights im Unternehmen?

Bei uns gibt es mittlerweile einen Kulturwandel. Früher war der Umgangston im Unternehmen eher kurz und rau, das hat sich verändert, seit ich vor einigen Jahren das Projekt „Anerkennungskultur“ gestartet habe. Eine Kulturveränderung dauert Jahre. Wir haben mit klassischen Workshops begonnen. Bei 8.700 Mitarbeitern hat man an die 400 Führungskräfte. Diese wurden in zweitägigen Workshops dazu animiert, ihre Leistung zu definieren. Man spricht über die Leistung, man lobt, grüßt und sagt danke. Nachdem das in zweitägigen Workshops nicht getan ist, haben wir sogenannte Anerkennungscoaches aus den eigenen Reihen ausgebildet. Diese begleiten Führungskräfte zu Gesprächen und Sitzungen mit Mitarbeitern und beobachten deren Verhalten. Danach gibt es im Vier-Augen-Gespräch ein Feedback. Am Anfang wurde das sehr skeptisch aufgenommen, heute bedanken sich die Mitarbeiter für diese Möglichkeit. Eigene Aufkleber an den Türen der Mitarbeiter zeigen, wenn diese schon entsprechende Kurse besucht haben. Das Stichwort „Anerkennungskultur“ kennt jeder im Haus.

Ich bin auch sehr stolz auf die Einführung des Top-Jugend-Tickets um 60 Euro, mit dem man in der gesamten Ost-Region die Verkehrsmittel nutzen kann und das man ganz einfach erhalten kann. Ich selbst bin als Schülerin noch stundenlang in der Warteschlange in der Rahlgasse im 6. Bezirk gestanden und wollte das ändern, denn es geht um die Kunden von morgen und diese sollen ganz einfach zu ihrem Ticket kommen. Kürzlich haben wir die Wien-Mobil-App – mein Baby – nach zwei Jahren Entwicklungszeit präsentiert. Es ist eine umfassende, moderne Mobilitätsapp mit vielfältigen Funktionen. Ich setze sehr auf den digitalen Vertrieb und versuche, unseren Vertrieb in die Zukunft zu führen.

Nutzen Sie die Wiener Linien häufig?

Natürlich! Ich bin eine Jahreskartenbesitzerin der ersten Stunde, denn meine Eltern waren kein Taxidienst und ich bin immer gerne als Jugendliche mit dem Nachtbus vom Schwedenplatz nach Hause gefahren. Ich habe zwar ein Firmenauto, aber ich fahre untertags bewusst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch privat, wenn ich nicht arbeite, achte ich sehr genau auf die Pünktlickeit der Verkehrsmittel und die Sauberkeit in den Stationen. Es kommt schon vor, dass ich herumliegende Zeitungen wegräume. Wenn etwas nicht passt, tippe ich gleich E-Mails an die Kollegen, um die Situation zu verbessern. Wenn unsere Lenkerinnen und Lenker ordentlich gekleidet sind und durch eine sanfte Fahrweise auffallen, gehe ich nach vorne und bedanke mich für die gute Fahrt. Mittlerweile habe ich gelernt, mich vorzustellen, denn manchmal schauen sie schon verwundert und denken, ich will sie veräppeln.

Setzen Sie sich im Unternehmen für Frauenförderung ein?

Absolut. Wir haben keine berauschende Frauenquote, was vor allem dem starken technischen Teil in den Werkstätten geschuldet ist. Wir überlegen uns Initiativen, wie wir das verändern können, und gehen verstärkt in Schulen, um technische Berufe für Mädchen attraktiv zu machen. Mir sind weibliche Lehrlingsausbildner sehr wichtig. Es ist vielen Herren, auch älteren Semesters, mittlerweile klar, wie wichtig es ist, auf Frauen zu setzen. Da hat sich das Verständnis gewandelt. Ich habe ein Netzwerk ins Leben gerufen: die Wiener Frauenlinien. Drei Mal pro Jahr treffen wir uns, laden starke Frauen verschiedener Branchen ein, wir machen auch im eigenen Unternehmen etwas, gehen Straßenbahnfahren oder Autobusfahren – es geht darum, sich persönlich kennenzulernen und auch die Wünsche und Sorgen der Frauen im Unternehmen kennenzulernen. Ich habe mich für einen Nachtkindergarten einsetzen können, dieses Angebot gibt es im Wilhelminenspital und im AKH, da in der Nähe Garagen und Bahnhöfe der Wiener Linien sind. Sehr hilfreich für Alleinerziehende, die Nachtdienst machen wollen. Eine Ferienbetreuung habe ich bei uns im Haus eingeführt – den Kindern gefällt es sehr gut, denn sie erleben jeden Tag etwas. Ich bemühe mich auch sehr um Home-Office, ein Thema, das im Konzern bisher wenig behandelt wurde. Mir geht es um Leistung. Am Ende des Tages sehe ich das Ergebnis, ob dafür daheim oder im Büro gearbeitet wurde, spielt eine untergeordnete Rolle.

Sind Sie für Frauenquoten in Aufsichtsräten?

Absolut ja. Anders geht es nicht, denn Geschäftsführungen und Aufsichtsräte sind noch immer von Männern dominiert. Ich bin eine Quotenfrau und stehe dazu. Den Job zu bekommen ist das eine, sich zu bewähren das andere. Ich bin niemand, der das Frauenthema verbissen vorantreibt. Im Übrigen halte ich gemischte Führungsteams für ideal. Was ich als Mutter eines Kindes bemerke: Es gibt wichtige Termine, vor allem am Abend, die man als Frau nicht wahrnehmen kann. Es hat mir nicht geschadet, aber man ist dadurch von gewissen Informationen und Vernetzungen abgeschnitten. In dieser Hinsicht haben es Männer nach wie vor leichter. 

Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre?

Wir wollen der Toparbeitgeber Österreichs werden und den Menschen vermitteln, dass wir ein moderner, sehr innovativer Betrieb sind. Und ich möchte natürlich mehr Frauen im Unternehmen haben. Die verlässliche Marke Wiener Linien soll allen Fahrgästen auch ein Gefühl der Sicherheit geben.  

Foto: Wiener Linien

Cookies dienen der Benutzerführung und der Webanalyse und helfen dabei, die Funktionalität der Website zu verbessern, um Ihnen den bestmöglichen Service zu bieten. Nähere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Datenschutzerklärung Ok