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Kategorie: Karriereportaits öffentliche Verwaltung
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Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, Wirtschaftsbund Österreich: "Wir müssen zuversichtlich bleiben"

Unternehmen sollten jetzt alle angebotenen Unterstützungsleistungen annehmen, empfiehlt die stellvertretende Wirtschaftsbund Generalsekretärin und Nationalratsabgeordnete im ABW-Interview. 

Sie sind stellvertretende Generalsekretärin des Österreichischen Wirtschaftsbundes, Stadträtin für Wirtschaft und auch im Parlament für Wirtschaftsbelange zuständig: Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation für die heimischen Unternehmen? 

Die momentane Situation sieht quer durch alle Branchen wenig rosig aus. Natürlich gibt es auch einzelne Geschäftsbereiche, die regelrecht einen Boom erleben. Ich denke, es wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen, wie krisenfest die österreichische Wirtschaft in ihrer Gesamtheit ist. Jetzt ist es wichtig, dass die Menschen wieder konsumieren und investieren. Gerade die öffentliche Hand sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Im Bereich der Hotellerie und Gastronomie wird sich bald durch zielgerichtete Maßnahmen einiges tun und eine gute Auslastung wird wieder da sein. Das stimmt mich zuversichtlich. 

In welchen Bereichen sehen Sie politisch und wirtschaftlich die größten Herausforderungen in den kommenden Monaten?

Es ist im Moment ein Kraftakt: Einerseits müssen wir die Corona-Neuinfektionen gering halten, andererseits Schritt für Schritt wieder die Wirtschaft hochfahren und die Unternehmen in der schwierigen Situation zu unterstützen. Die Coronakrise trifft auch die öffentliche Hand. Hier alle Kernaufgaben als Staat, Land, bzw. Kommune weiterführen zu können muss die oberste Prämisse sein. Wirtschaftlich brauchen wir rasch eine neue Investitionsstimmung. Von ihr wird es abhängen, ob wir in den kommenden Jahren wieder an die Hochkonjunktursituation von Vor-Corona-Zeiten anschließen können 

Sie sind selbst Unternehmerin – wie sehr sind Sie von der Krise betroffen?

Auch meine Kommunikationsagentur hat Umsatzeinbrüche – zum Glück nur in geringem Ausmaß. Wir arbeiten seit vielen Jahren für Stammkunden mit sehr breiter inhaltlicher Fächerung quer durch unterschiedliche Branchen. Damit ist bei uns auch nur ein Teil der Kunden von der wirtschaftlichen Situation betroffen. 

Reichen die Maßnahmen, die zur Unterstützung der Wirtschaft eingeleitet wurden, aus, um die heimischen Betriebe wieder auf Erfolgskurs zu bringen? 

In Summe sind die Maßnahmen gut geglückt und greifen bereits. Vor allem die Kurzarbeit war zu Beginn eine sehr wesentliche Maßnahme, die viele Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt hat. Es folgen ja nun laufend neue zielgerichtete Maßnahmen - im Moment gerade für die Gastronomie, in Kürze dann eine wichtige Initiative für die Hotellerie. Für einige Branchen braucht es aber definitiv noch für eine längerfristige breite Unterstützungsstrategie. Ich denke da etwa an die schwer getroffene Eventbranche oder auch die Reisebranche. 

Wie vereinbaren Sie Job und Familie in Krisenzeiten? 

Wie für jede andere Familie ist das Homeschooling ein echter Kraftakt. Ich hatte bis vor Corona immer Unterstützung von unserer Oma – diese hat in den vergangenen zwei Monaten sehr gefehlt. Mein Mann und ich haben uns alles aufgeteilt und auch unsere Kinder konnten schon vieles mit übernehmen. Die beiden Großen haben sich sehr selbständig um ihre eigenen Lernaufgaben gekümmert, unser jüngster Sohn brauchte hier intensiv Unterstützung, was mich extrem gefordert hat. Im Nachhinein gesehen habe ich die intensive Zeit als Familie aber auch irgendwie genossen, bin jetzt aber froh, wenn der Schulalltag wieder zumindest für kurze Zeit Einzug hält. 

Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsalltag während des Lockdowns?

Im Wesentlichen hat sich in meinem Alltag nur geändert, dass ich kaum physische Meetings mehr hatte, sondern die meisten Sitzungen und Besprechungen online stattgefunden haben. Ich habe meist den Großteil des Tages telefoniert und Mails bearbeitet. Es gab nur wenige Parlamentstermine, der Wirtschaftsbund hatte auf Homeoffice umgestellt - somit habe ich wesentlich mehr Zeit in Baden und weniger in Wien verbracht. Die eingesparten Fahrzeiten sind aber wohl direkt wieder in Haushaltstätigkeiten geflossen, ich habe auch noch nie so häufig in meinem Leben gekocht. Das war eigentlich eine sehr freudvolle Erfahrung.page1image22315392

Was empfehlen Sie Unternehmerinnen, die von der Krise betroffen sind? 

Weiterhin zuversichtlich bleiben, auch wenn es extrem schwer fällt. Wir haben jetzt auch die Chance unsere Produkte neu zu überdenken, unser Unternehmen weiter zu entwickeln und neu auszurichten. Natürlich sollte man sofort alle Unterstützungsleistungen beantragen – ich höre täglich, dass viele aufgrund von Fehlinformationen und Fehlberatungen noch keinen Antrag gestellt haben. Ich persönlich habe die Finanzkrise 2009 selbst sehr belastend erlebt. Mein Mann und ich hatten damals den Höchststand an Mitarbeitern, drei kleine Kinder und plötzlich fiel von einem Tag auf den anderen ein Großteil unserer Umsätze weg. Im Rückblick hat es uns jedoch gestärkt hervorgehen lassen. Wir haben unsere Unternehmen breiter aufgestellt und vieles lernen dürfen, was uns wiederum in die beruflichen Bereiche geführt hat, in denen wir heute tätig sind. Jeden Morgen geht die Sonne auf, auch wenn wir sie manchmal hinter den Wolken nicht sehen.