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Gerlinde Seitner, GF Filmfonds Wien: Hoffentlich haben sich die Menschen nicht an Streaming gewöhnt
Im März wurde ihr Vertrag – im Sinne der Stabilität in Krisenzeiten – für ein weiteres Jahr verlängert. ABW sprach mit der Geschäftsführerin des Filmfonds Wien über die größten Herausforderungen der Branche.
Wie hoch beziffern Sie den Schaden für die heimische Filmbranche durch die Corona-Krise?
Der Schaden wird voraussichtlich im zweistelligen Millionenbereich sein. Jedoch solange nicht klar ist, ab wann wieder gedreht werden kann und was die „neuen“ Drehbedingungen sein werden, lässt sich keine endgültige Summe nennen.
Gibt es spezielle Strategien zur Positionierung des heimischen Films nach Corona? Gab/gibt es spezielle Hilfen seitens des FFW für Filmemacher?
Um möglichst wieder in Produktion zu kommen, werden aktuell heimische Projekte vorgereiht. Diese können schneller verfilmt werden als internationale Koproduktionen und sorgen daher für eine Wiederaufnahme der Beschäftigung. Wie sich die Krise auf das Kinobesucherverhalten auswirkt, lässt sich noch nicht sagen. Es besteht natürlich die Gefahr, dass Menschen sich an das ausschließliche Streaming gewöhnt haben und sich nicht so schnell ins Kino trauen. Jedenfalls ist mit einer Zunahme von Produktion für Streamingdienste zu rechnen. Aktuell haben wir noch kein Sonderbudget, um Mehrkosten, die die Krise verursacht, abzudecken.
In welchen Bereichen sehen sie die größten Probleme für die heimische Filmbranche?
Durch den weitreichenden Drehstopp sind die meisten Projekte zum Erliegen gekommen und viele Filmschaffende waren gezwungen, in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Sobald wieder gedreht werden darf, wird es die Branche mit einem Übermaß an Beschäftigung zu tun haben, sodass nicht alle ruhenden Projekte gleichzeitig wieder starten können. Hier muss die Branche mit einem höheren Koordinierungsaufwand als gewohnt rechnen. Des Weiteren ist abzusehen, dass es langfristig zu einer verstärkten Nachfrage seitens der Streamingdienste kommen wird.
Welche Hilfsmaßnamen gab es von öffentlicher Seite?
Die Stadt Wien hat Arbeitsstipendien organisiert und finanziert, die Kreative an Projekte arbeiten lässt und gleichzeitig finanziell unterstützt. Im Wiener Rathaus haben sich Vertreter von Kultur- und Gesundheitspolitik an einem runden Tisch unter anderem darüber ausgetauscht, wie am besten wieder gedreht werden kann. Ich habe den Eindruck, hier gibt es Bewusstsein, Verantwortung und Interesse, die Situation zu lösen. Jedoch macht der Bund die Gesetze und hat ist bis zum heutigen Tag (Anm.: Stand Mitte Mai) keine sinnhafte Regelung präsentiert.
Was waren Ihre vorrangigen Aufgaben in den vergangenen Wochen?
Zu Beginn des Lockdowns galt es, alle Abläufe neu aufzusetzen, unter Berücksichtigung von Home Office, um rasche Auszahlungen von Förderraten zu ermöglichen. Das ist auch gelungen, der Filmfonds Wien hat in den zwei Monaten der Krise an die zwei Millionen Euro ausbezahlen können. Das ist dringend benötigtes Geld, das der Branche hilft, auch in Krisenzeiten soweit wie möglich an Projekten zu arbeiten sowie Rechnungen, Honorare und Mitarbeiter zu zahlen. Nachdem wir die Abläufe und Arbeitsflüsse adaptiert haben, war jedenfalls der Kommunikationsaufwand mit dem Team, den Gremien und den Produzenten ein höherer als „normal“.
Foto: Filmfonds Wien