Karriereportraits Tourismus
Michaela Reitterer, Präsidentin ÖHV: "Leidenschaft ist die Grund-voraussetzung für Erfolg"
Michaela Reitterer ist seit 2016 alleinige Präsidentin der Österreichischem Hoteliersvereinigung (ÖHV) und führt seit vielen Jahren erfolgreich ihr eigenes Hotel, das sie zum weltweit 1. Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz machte. Austrian Business Woman sprach mit der Tourismus-Expertin.
Wie geht es der Hotellerie derzeit, was sind die großen Herausforderungen?
Nachdem ich ein sehr positiver Mensch bin, sage ich: „Vergleichsweise gut, danke!“ Es geht uns ja wirklich viel besser als so vielen Unternehmen, die durch die Digitalisierung praktisch vor dem Aus stehen – deren Angebot komplett ersetzt wird durch Algorithmen und Logistiker.
Was wünschen Sie sie sich von der Politik?
Ein sachliches Überdenken der Prioritäten. Wir sollten uns genau ansehen, welche Ziele wir erreichen wollen oder besser gesagt müssen und ob der jetzige Weg uns dorthin führt. Wollen wir Vollbeschäftigung? Dann werden wir die Wirtschafts- und Steuerpolitik nach den Bedürfnissen der Dienstleister ausrichten müssen. Wollen wir Wertschöpfung vor Ort? Dann müssen wir die Marke Österreich stärken und rund um den starken emotionalen Markenkern aufbauen.
Eines der großen Probleme ist der Mitarbeitermangel - warum tun sie sich so schwer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?
Das täuscht. Keine andere Branche gewinnt so viele Mitarbeiter wie der Tourismus und insbesondere die Top-Hotellerie. Fast alle anderen Wirtschaftszweige reduzieren den Mitarbeiterstand, wir bauen ihn aus, laufend. Es ist vielmehr so, dass wir noch vielmehr Mitarbeiter brauchen: Wir wachsen so stark im serviceintensiven Bereich, dass wir noch vielmehr Mitarbeiter bräuchten. Im AMS hat man uns längst als wichtige Partner erkannt, da sind wir mittlerweile auf einem sehr guten Level der Zusammenarbeit.
Was sind ihre Pläne/Ziele für die ÖHV 2017?
Zu allererst, dass wir mit unserem Tag der offenen Hoteltür noch mehr junge Menschen erreichen, die an ihrer Karriere arbeiten wollen. Da laden mehr als 200 Top-Hotels in ganz Österreich zum Blick hinter die Kulissen. Heuer hat fast jeder teilnehmende Betrieb neue Mitarbeiter eingestellt. Überzeugt haben attraktive Berufsbilder wie Revenue Manager, die schönen Arbeitsplätze und die Atmosphäre und sicher auch die Jobsicherheit in Kombination mit den internationalen Karrierechancen. Da überzeugt die Top-Hotellerie wirklich.
Sie sind mit Ihrem Hotel selbst sehr erfolgreich - worauf kommt es an, wann man in der Hotellerie heute erfolgreich sein will?
Ich denke, in erster Linie ist es die Leidenschaft: Sie ist Grundvoraussetzung: Fehlt sie, ist es immer schwierig, ist sie da, geht in dieser Branche fast alles. Mit ihr kommen die Energie, das Engagement und der Ehrgeiz.
Um Gegensatz zu anderen Branchen gibt es in ihrer Branche mehr Frauen in Spitzenfunktionen - woran könnte das liegen?
Dass Männer im Management oder bei den soft skills Defizite hätten, nehme ich jetzt gar nicht an. Ich denke nur, dass es viele von ihnen in die Technik, in den Finanzbereich oder auch in den Sicherheitsbereich und vielleicht auch in den Sport zieht. Deswegen ist der Anteil dort wohl höher. Kraft und Technik spielen bei uns keine so tragende Rolle, wobei die Technologie und vor allem der Online-Bereich stark aufholen in den letzten Jahren. Viele sehr gute Frauen gehen in den Tourismus. Da spielt sicher das angenehme Umfeld eine Rolle, wo Technologie und andere Männerdomänen hinter die Kulissen geschoben werden und das Lebensgefühl, die freundliche Art und das angenehme Ambiente im Vordergrund stehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das eine Rolle spielt.
Was muss man für eine Karriere in der Hotellerie mitbringen?
Eine positive Art. Und man muss Menschen mögen! Neugierig auf Menschen, Orte und Lebensweisen wird man ja sein. Gerne zu reisen ist natürlich von Vorteil, ein Faible für Sprachen auch. Zuhause lassen sollte man seine 9 to 5-Mentalität, falls vorhanden, aber das ist mittlerweile in vielen Branchen so. Ganz schlecht wäre eine unbändige Lust auf unbezahlte Praktika und unterbezahlte Positionen: Die gibt es in anderen tollen Branchen auch nach einem jahrelangen Studien, bei uns aber sicher nicht! ;-)
Foto: Flo Lechner