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Grätzlhotel-Direktorinnen Fanny Holzer-Luschnig und Theresia Kohlmayr im ABW-Interview

Die grätzlhotel-Direktorinnen Fanny Holzer-Luschnig und Theresia Kohlmayr wurden 2016 zu den „Hotelièren des Jahres“ gewählt! Und das nur wenige Monate nach dem Start an drei Standorten in Wien. Theresia Kohlmayr im Gespräch.

Was haben sie gemacht, bevor sie grätzelhotel-Chefinnen wurden?

Ich bin in Flachau aufgewachsen, meine Familie besitzt dort ein Ferienhotel. Dadurch konnte ich nicht nur Erfahrung in allen Bereichen der Hotellerie sammeln, sondern vor allem auch täglich alles miterleben und spüren. In Wien studierte ich Architektur und gründetet mit Christian Knapp und Jonathan Lutter im Jahr 2010 die Kohlmayr Lutter Knapp OG sowie im Jahr 2012 die Urbanauts GmbH, als wir unser erstes Hotelzimmer in einem leerstehenden Geschäftslokal am Standort Belvedere gestaltet hatten.  

Wie kamen sie eigentlich auf die Idee des grätzlhotels?

Der zunehmende Leerstand von Geschäftslokalen in der Erdgeschosszone ist in Wien zu einem vieldiskutierten Thema geworden. Schon im Architekturstudium haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie wir leerstehende Geschäftslokale neu nutzen können. Da ich aus einer Hoteliersfamilie stamme, lag es nahe, diese Geschäftslokale in individuelle Hotelzimmer umzubauen, die Städtereisenden ein besonders authentisches Wien-Erlebnis garantieren. So eröffneten wir im Jahr 2011 das erste Hotelzimmer im neuen Design. Auch die Grätzl Betriebs GmbH entwickelte ein sehr ähnliches Konzept und wurde so zum idealen Partner, um dieses gemeinsam stärker auszubilden und mit dem grätzlhotel auf Standorte in ganz Wien zu erweitern.

Woher hatten sie den Mut, diese Idee auch umzusetzen?

Als Hotelierstochter und Unternehmerkind war der Schritt in die Selbständigkeit kein großes Wagnis und wurde immer von einem familiären Rückhalt getragen. Die Idee der Umwandlung von leerstehenden Geschäftslokalen in einzelne Hotelzimmer wurde lange entwickelt, so dauerte es zwei Jahre bis wir einen Prototypen fertig geplant, finanziert und realisiert hatten. Mit dem Zuspruch und dem Erfolg von dem ersten Hotelzimmer wuchs auch der Mut, an der Idee weiterzuarbeiten. Ich freue mich sehr, dass wir nun nach weiteren vier Jahren bereits 21 Zimmer an drei Standorten in Wien anbieten können.

Wie schwierig war der Anfang und was waren die Herausforderungen?

Die schwierigste Phase war das Prototyping bis zur Eröffnung des ersten Zimmers. Bis dahin war das Produkt – ein Hotelzimmer in ehemaligen Geschäftslokalen – weder den Wiener Behörden, noch dem Hotelmarkt oder potenziellen Kunden (Touristen) bekannt. Nach der Einführungsphase von unserem neuen Produkt der Para-Hotellerie kamen weitere Herausforderungen: dieses zu professionalisieren, an mehreren Standorten dezentral zu verwalten, den Vertrieb dafür aufzubauen und die örtliche grätzlspezifische Vernetzung einzurichten. Dafür suchten wir professionelle Partner aus der Hotellerie und sind mit der Grätzl Betriebs GmbH respektive der Hoteldirektorin Fanny Holzer-Luschnig im Jahr 2015 fündig geworden. Nun freuen wir uns gemeinsam auf viele weitere neue Herausforderungen, sei es in Form einer Expansion in anderen Städten oder in der Adaptierung weiterer Grätzl in Wien.

Was unterscheidet das grätzhotel von einem "normalen" Hotel und wie funktioniert das?

Das Reiseverhalten vieler Menschen verändert sich zunehmend. Sogenannte „Highly individualised people“ suchen nach Reiseerfahrungen, die alltagsnahe Einblicke in das Leben vor Ort ermöglichen. Diesen Trend greift das grätzlhotel auf und versteht sich als Hospitality-Produkt, das Gäste Urbanität authentisch erleben lässt. Hotelsuiten in ehemals leerstehenden Räumlichkeiten in der Wiener Sockelzone bieten für diese Vision den Raum mit einzigartigem Charakter. Die Suiten überzeugen schon beim Eintreten mit Alltagsnähe: Direkt von der Straße oder durch einen typischen Wiener Innenhof gelangen Gäste in ihr Zimmer. Die Räumlichkeiten sind mit Liebe zum Detail gestaltet und erzählen alle eine Geschichte. Die Kooperationen mit Geschäften und Lokalen in der direkten Umgebung ermöglichen außerdem die besonderen Serviceleistungen des grätzlhotels. Wir schlagen diese „Nachbarn“, wie wir sie bezeichnen, unverbindlich den Gästen vor, ohne Gutscheinsystem oder Zwang dahinter. Die Konsumation oder Leistungen sind extra zu bezahlen und nicht im Hotelpreis enthalten. Das geht von der Frühstücks- bis zur Abendessenslokalität, vom Massageinstitut über den Kosmetiksalon bis hin zur Schneiderin und dem türkischen Bäcker. So stärken wir damit sogar die nachbarschaftlichen Strukturen. Unser Hotelkonzept hat einen kleinen Social-Design-Effekt, denn wir entwerfen und kuratieren soziale Vernetzung. Gleichzeitig können die Gäste des grätzlhotels den Komfort eines Hotels genießen, von der Reinigung der Zimmer bis zu klassischen Serviceleistungen an der jeweiligen Anlaufstelle in den Grätzln.

Wie gut wird das Konzept angenommen?

Das Konzept wird sehr gut angenommen. Die Suiten bieten eine Alternative zum klassischen Hotelbetrieb. Durch ihre zentrale Lage und die Vernetzung mit lokalen Kooperationspartnern ist es gelungen, ein Produkt anzubieten, das abenteuerlustigen, aufgeklärten Reisenden ein besonderes, sehr individuelles Angebot bietet. Unsere Gäste vereint der gemeinsame Wunsch, als „Wienerin und Wiener auf Zeit“ authentische Erfahrungen in einer glaubhaften Umgebung zu machen.

Sie wurden als Hoteliers des Jahres ausgezeichnet - macht sie das ein bisschen stolz?

Nach gerade einmal sechs Monaten Betrieb der drei Standorte war es für uns schon sehr überraschend bereits zu den Hoteliers des Jahres gewählt worden zu sein. Für mich ist es eine ganz besondere Auszeichnung, da ich ja aufgrund meiner Ausbildung im Architekturbereich als Quereinsteigerin im Hotelgewerbe gelte. Insofern sind wir auf jeden Fall stolz und freuen uns sehr, dass uns die österreichische Hotel-und Gastronomiefamilie so schnell aufgenommen hat.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Unser Büro befindet sich in der Favoritenstrasse im vierten Bezirk. Dort teilen wir uns ein Geschäftslokal mit den Architekten und Designern des Ingenieur- und Design Büros Kohlmayr Lutter Knapp, wo ich ebenfalls Gründungsmitglied bin. Die Operative des grätzlhotels besteht aus zwei Reservierungs- & Salesmitarbeitern, einer Hausdame und zwei Reinigungskräften. Mein Arbeitstag beginnt morgens um 9.00 Uhr mit der Einteilung der Mitarbeiter und dem Housekeeping. Vormittags werden die Reservierung und der Vertrieb unterstützt, ab Mittag stehe ich dem Housekeeping für Fragen zur Verfügung. Hotelführungen, Gästebetreuung und Termine rund um die Operative werden nachmittags erledigt, in den frühen Abendstunden bereite ich die Administrationsarbeiten des Unternehmens vor. Abends um 19.00 Uhr endet mein Arbeitstag im Büro und wir wechseln uns mit der telefonischen Gästebetreuung nach 19.00 Uhr bis zum nächsten Morgen ab. Als Hotelbetrieb sind wir Montag bis Sonntag 365 Tage im Jahr im Einsatz und ich genieße die atypischen Arbeitszeiten; Sonntags und Feiertags ebenfalls im Büro tätig zu sein, dafür einen Wochentag einmal für mich zu haben.

Was sind ihre Ziele für 2017, wie soll es weitergehen?

Im Jahr 2017 sollen weitere Grätzl in Wien hinzukommen, hier befindet sich die Geschäftsführung noch in der Besichtigung möglicher Lokalitäten. In Wien soll das grätzhotel langfristig noch auf über 50 Wohneinheiten heranwachsen, bevor auch andere, österreichische und europäische Städte als Standorte in Betracht gezogen werden

Bitte ein Tipp: Was muss man mitbringen, um in dieser Branche erfolgreich zu sein?

Als Gastgeberin beschäftigt man sich während seiner Arbeitszeit mit der schönsten Zeit seiner Gäste, nämlich deren Urlaub – das sollte man zu schätzen wissen. Der Austausch mit den Gästen und das Feedback über deren Erlebnisse und Erfahrungen in seiner eigenen Stadt bringen einem selbst die Stadt und die Entwicklungen vor Ort näher. Interessiert man sich dafür – für fremde Länder, fremde Kulturen und den Austausch darüber – lernt man jeden Tag Neues dazu.

Für die Führung und Entwicklung vom grätzlhotel sollte man jedoch auch eine Affinität zur Architektur, zu den Themen Leerstandsaktivierung und Grätzlbelebung mitbringen. Da wir dezentral an drei Standorten tätig sind und auch weiterhin weitere Standorte entwickeln wollen, laufen wir immer mit offenen Augen durch die Stadt.

Foto: Rene Wallentin

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