Karriereportraits Tourismus
Mag. Barbara Brandner, Brandner Schifffahrt: „Wir brauchen jetzt weniger Bürokratie"
Ihre Schiffe stehen im Hafen, die Mitarbeiter sind im Kurzarbeit-Modus – dennoch muss es weitergehen. Was sie sich von der Zukunft erhofft, erzählt Barbara Brandner im ABW-Interview.
Welche Folgen hat der Lockdown für die Brandner Schifffahrt?
Der geplante Saisonstart für die BRANDNER Schiffahrt wäre der 4. April 2020 gewesen. Der tatsächliche Saisonstart wird nun der 30. Mai sein – fast zwei Monate später. Wir bieten schwerpunktmäßig tägliche Ausflugsschifffahrt im Weltkulturerbe Wachau an. Ein nennenswerter Teil der Passagiere kommt normalerweise aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern sowie aus Nord- und Südamerika und Asien. Eine Schifffahrt durch die Wachau ist ein beliebter Angebotsbestandteil internationaler Reisebüros und österreichischer Incomer.
Aufgrund der Reisebeschränkungen wurden viele internationale Touren storniert und somit ist auch die Schifffahrt „ins Wasser gefallen.“ Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld ist die Charterschifffahrt: Hochzeiten, private Feierlichkeiten, Firmenevents etc. Dieser Bereich ist extrem eingebrochen. Normalerweise sind die Monate Mai bis August „die Hochzeitsmonate“. An vielen Samstagen in diesen Monaten wird an Bord unserer „ms austria princes“s Hochzeit gefeiert und vor der Kulisse Dürnsteins „Ja“ gesagt. Heuer ist es ganz anders. Wir betreiben auch ein kleines, feines Weingut in Rossatz am rechten Ufer der Donau und „Die Flößerei“, ein Restaurant mit Blick auf Dürnstein – vor zwei Jahren fanden dort die ORF-Sommergespräche moderiert von Hans Bürger und Nadja Bernhard statt. Auch hier hat der COVID-19 bedingte Lockdown seine Wirkungen gezeigt.
Wie hoch beziffern Sie den Schaden durch die Ausfälle?
Bis Ende Mai 2020 werden es mehrere Hunderttausend Euro sein. Eine große Unbekannte zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Reise- und Ausflugsverhalten der Österreicher (die traditionell den größten Kundenkreis ausmachen) in den Wochen und Monaten nach dem Hochfahren im Bereich Linien- und Themenschifffahrt. Mit dem fast gänzlich wegfallenden Charterbereich und einem worst case im Reise- und Ausflugsverhalten der Österreicher kann sich die Ausfallssumme von mehreren Hunderttausend bis zu vielen Hunderttausend Euro bewegen.
Wie geht es in den kommenden Monaten weiter?
Ich will in der Zuversicht bleiben, dass die Menschen das Angebot einer Schifffahrt durch die wunderschöne Wachau im Rahmen eines Tagesausfluges oder als willkommene Abwechslung im Rahmen eines Hotelaufenthaltes in der Region freudig aufnehmen werden. In seiner Gesamtheit kann man das Weltkulturerbe Wachau nur von Bord eines strahlend weißen Schiffes wahrnehmen, indem die beiden Ufer in der kraftvollen Fahrt vor dem geistigen Auge zusammenfließen. Dazu ein herrliches regionales Essen und Weine aus dem eigenen Weingut – „Genuss am Fluss“. Der Bereich Charter/Veranstaltungen wird hingegen ein sehr schwieriger bleiben. Hier ist und bleibt ein Großteil der Umsätze des heurigen Jahres verloren und ist auch nicht aufzuholen.
Sind Sie zufrieden mit den Maßnahmen der Regierung, die zur Unterstützung der Wirtschaft eingeleitet wurden?
Wichtig ist, dass man sich der Struktur der Säulen des österreichischen Wohlstandes bewusst ist. Österreichs Wirtschaft ist kleinteilig und die Tendenz zeigt noch stärker in diese Richtung. Mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen in Österreich sind bei KMU (Kleine und Mittlere Unternehmungen) beschäftigt. Im Schnitt hat ein KMU sechs Mitarbeiter. Es ist daher erforderlich, dass man die vielen kleinen und vor allem auch mittleren Betriebe fördert, stärkt und unterstützt. Sie sind das kleinregionale Gerüst, das Rückgrat der Nation. Arbeitsplätze, soziales Leben, eine gesunde soziale Struktur ist auf ihnen aufgebaut.
Es braucht den Bäcker, den Friseur, den Nahversorger, den Tischler, den Installateur, die private Schifffahrtsunternehmerin, die ihre Mitarbeiter auch in der Krise hält und so für sozialen Frieden sorgt. Der Tourismus ist in Österreich bedeutender, als in anderen EU-Ländern. 15 Prozent der KMU sind hier tätig – doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt. Die aktuelle Krise trifft den Tourismus besonders stark – nicht nur jetzt, sondern es ist zu erwarten, dass die Branche auch in den nächsten Jahren besonders intensiv betroffen sein wird. Einschneidende Veränderungen werden stattfinden. Österreich hat das Echte, Schöne und Wahre zu bieten. Darauf sollte man sich konzentrieren, den Betrieben die Möglichkeit geben, sich auf diesen Gebieten entfalten zu können. Betriebe aufrichten und stärken – Ihnen vor allem Vertrauen entgegenzubringen. Weniger Bürokratie, Erleichterungen und Vereinfachungen für jene, die etwas tun wollen. Sie brauchen Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglichen, mit Freude tätig zu werden. Das ist das Gebot dieser Zeit für alle Entscheidungsträger.
Bitte beschreiben Sie Ihren Arbeitsalltag während des Lockdowns?
Ich stehe auf und sehe meine beiden Schiffe MS Austria und ms austria princess wie sie im Hafen von Wallsee liegen – so lange waren sie noch nie „zuhause“. Eine Kanne Pfefferminztee und die Tageszeitung für die ersten Headlines. Meine Tochter darf noch ein wenig schlafen – die erste Teams-Sitzung mit ihren Lehrern beginnt um 7:50 Uhr. Die beiden großen Söhne sind aus dem Hause – einer beim Studium an der Montanuniversität in Leoben, der andere bei der Militärmusik Niederösterreich. Beide auch im „Ausnahmezustand“ ihrer jeweiligen Organisationen.
Ich checke meine ersten Mails, konferiere mit meinen Mitarbeitern, die teilweise im Homeoffice und stundenweise im Büro die wichtigsten Kundenanfragen beantworten. Sie befinden sich in Kurzarbeit. Ich möchte alle halten. Mein Mann und ich besprechen Aufgabenstellungen. Wir haben große Investitionen durchgeführt in diesem Winter und Frühjahr. Es gilt, diese zu vollenden – auch in schwierigen Zeiten. Meine Haushaltshilfe ist jetzt auch zuhause, also will auch die Hausarbeit zwischendurch erledigt werden. Die Wäsche aussortieren, die Waschmaschine füllen, Frühstück für mein Mädchen vorbereiten. Auch Fanny, unsere Hündin, schaut mich fragend an – eigentlich ist es schon Zeit, für die erste Mahlzeit – das Frauchen hat anderes im Kopf.
Mein Homeoffice ist ein guter Platz – ich sehe die Donau, höre die Geräusche des Auwaldes. Viele Telefonate, parallel dazu die Überlegung, was denn heute auf den Tisch kommen könnte – ohne Einkaufen zu fahren. Die Mutter soll auch mitversorgt werden. Sie wohnt gleich nebenan – das Social Distancing fällt ihr schwer. Beim Überbringen der Mahlzeit plaudern wir kurz „im Abstand“. Bald wird es wieder leichter sein. Die Wege zwischen meinem Laptop, der Küche, der Waschmaschine etc. sind kurz – bei der nötigsten Hausarbeit kann man auch gut nachdenken und Ideen entwickeln. Wir haben uns die Arbeit, die rundherum zu tun ist, gut aufgeteilt, mein Mann und ich. Eine seltsam ruhige Zeit. Wir können ihr auch viel Positives abgewinnen.
Normalerweise ist es bei uns von Ende Februar bis zum Saisonstart sehr stressig. Vieles muss bis Anfang April fertiggestellt sein, damit die Schiffe in die Wachau abfahren können. Heuer haben wir mehr Zeit. Eine neue Qualität. Jedenfalls kann ich mit dem Begriff der „Langeweile“ und der verschiedenen Tools, um sich in dieser Zeit „die Zeit zu vertreiben“ gar nichts anfangen. Auch in dieser „ruhigen“ Zeit wird mir jeder Tag zu kurz und ich setze mich nach meinem erfüllenden Tagwerk um etwa 21 Uhr auf meinen Lieblingsplatz im Wohnzimmer, um den Tag ausklingen zu lassen.
Was empfehlen Sie Unternehmerinnen, die von der Krise betroffen sind?
Wann immer sich die Sorge in meinem Kopf ihren Weg zu bahnen versucht, verweise ich sie des Platzes und stelle mir ein positives, schönes Bild vor mein geistiges Auge. Menschen, die mit fröhlichen Gesichtern (ich stelle sie mir ohne Mund-Nasen-Schutz vor 😉) in Krems oder Melk in meine MS Austria einsteigen. Sie genießen das Sein auf dem Sonnendeck mit einem Glas Wein in der Hand – ihr Blick auf das Schöne, Echte und Wahre gerichtet. Viel Licht und viel Lachen, Lebensfreude. Alles wird gut.
Foto: Brandner Schifffahrt