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Prof. Elisabeth Stadler, VIG: Digitale Transformation ist eine gute Wachstumschance

Die Generaldirektorin und Vorstandsvorsitzende der VIG, Elisabeth Stadler, im ABW-Interview zur aktuellen Lage der Versicherungsbranche.

 Wie gut ist die VIG für diese wirtschaftlich nicht gerade einfache Zeit gerüstet?

Die Covid-19 Pandemie bringt uns eine weltweit wirtschaftliche Ausnahmesituation, die natürlich auch an uns nicht spurlos vorüber geht. Insbesondere sind wir von den Kapitalmarktentwicklungen betroffen. Daher beobachten wir die laufende Entwicklung der Kapitalmärkte sehr genau. Wir sind jedoch zuversichtlich, die Auswirkungen der Corona-Krise so gut wie möglich zu bewältigen. Denn wir haben eine solide Kapitalstärke und ein sehr gutes Jahr 2019 mit Topergebnissen vorzuweisen. Eine starke Bilanz und eine umsichtige Rechnungslegung bilden gerade in Zeiten wie diesen ein belastbares Fundament. Als dritte Stärke sehe ich unser Managementprogramm Agenda 2020 mit Fokus auf Effizienzsteigerung und der Forcierung der digitalen Transformation der Gruppe. Wir haben 2017 mit dem Programm begonnen und führen die gesetzten Maßnahmen auch während der Corona-Krise konsequent weiter.

Welche kurz-, mittel- und langfristigen Pläne gibt es?

Da steht im Fokus die bereits erwähnte Agenda 2020, die in erster Linie dazu dient, unsere Profitabilität und Zukunftsfähigkeit weiter zu steigern. Darin enthalten sind auch Chancen, Wachstumspotentiale zu nutzen, die wir zum Beispiel in der Krankenversicherung, dem Bankversicherungsvertrieb, im Firmenkundengeschäft, im Ausbau des Rückversicherungsgeschäfts und in profitablen Akquisitionen sehen. Wir arbeiten bereits an einem Folgeprogramm bis 2025. Als langfristiges Ziel gilt weiterhin, unsere Marktführerschaft in Österreich und CEE zu erhalten und auszubauen.    

Prof. Elisabeth Stadler, Generaldirektorin und Vorstandsvorsitzende der VIG

In welchen Bereichen sehen Sie nach der Corona-Krise Wachstumschancen?

Für mich sind das Nachhaltigkeit und die Digitalisierung, zwei Bereiche, die aus meiner Sicht die umfassendsten Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft darstellen und entscheidend für die Chancen auf Wachstum sind. An deren Wichtigkeit sehe ich auch keine Änderung durch die Corona-Krise, im Gegenteil. Das Leben mit der Pandemie wird Spuren hinterlassen und den Trend zu mehr Nachhaltigkeit meiner Einschätzung nach sogar noch beschleunigen. Denn die Auswirkungen beispielsweise eines Klimawandels, mit denen wir bereits alle spürbar konfrontiert werden, verschwinden wegen der Coronakrise nicht.

Ich sehe Nachhaltigkeit als wesentlichen Teil der Unternehmensstrategie und als Wettbewerbsvorteil. Denn die Stakeholder, seien es Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter, Investoren, Aktionäre und auch internationale Institutionen und NGOs beziehen nachhaltiges Engagement immer stärker in ihre Überlegungen mit ein, wo sie versichert, investiert oder engagiert sein wollen, sprich in welches Unternehmen sie Vertrauen haben und ihr Vermögen investieren. Zu einer nachhaltig und langfristigen Perspektive gehört für mich auch, sich zukunftsfit zu halten und deshalb sehe ich die digitale Transformation als Wachstumschance. Durch die Digitalisierung kann ich einen klaren Mehrwert für den Kunden schaffen und unser Geschäftsmodell dem vor allem technisch getriebenen und veränderten Nutzungsverhalten der Kunden anpassen. 

Die Wichtigkeit von Digitalisierung hat sich speziell in den vergangenen Monaten gezeigt. Wie weit fortgeschritten ist bei der VIG die Digitalisierung der Kundenschnittstelle?

Unsere Versicherungsgesellschaften arbeiten seit einigen Jahren intensiv an der Vereinfachung der Prozesse von und zum Kunden und der Nutzung moderner Kommunikationskanäle für den Kontakt zum Kunden. Egal ob für die Beratung, den Abschluss, Änderungen oder den Leistungsfall. Das umfasst den Einsatz künstlicher Intelligenz und Roboterunterstützung bei der Schadenerledigung über Vertragsabschlüsse mittels App bis hin zur Einbindung der Versicherung in die digitalisierte Welt des Kunden, Stichwort „Internet der Dinge“.

In der Corona-Krise sind die Onlineabschlüsse in einigen unserer Länder angestiegen, viele haben jetzt die Onlineangebote und digitale Services genutzt. Die hat es auch schon vor Corona gegeben, aber es ist jetzt vielen bewusster geworden, wie einfach diese Möglichkeiten sind. Wir gehen davon aus, dass digitale Services einen neuen Push bekommen werden.

In welcher Weise hat die Corona-Krise die Strategien der Finanzdienstleistungsbranche beeinflusst oder verändert?

Um hier an das zuletzt Gesagte anzuknüpfen. Die Covid-19 Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es war und ist, rechtzeitig in die digitale Transformation zu investieren und das Engagement hier zu verstärken. Wir haben derzeit mehr als 180 Digitalisierungsprojekte in der VIG-Gruppe laufen und investieren jährlich rund 50 Millionen Euro in die Digitalisierung. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten wirken sich auf die Kapitalmärkte aus und somit auf unsere Veranlagungsergebnisse. Wir haben begonnen, unsere Kapitalanlagen so zu kategorisieren, dass wir realwirtschaftliche Auswirkungen auf unser Portfolio in Teilportfolios abschätzen können. Investments in einigen Sektoren sind neu zu evaluieren – insbesondere Ölindustrie, Automobilsektor, Tourismus, Fluglinien, etc. sind mit erhöhtem Risiko zu bewerten. Wir gehen davon aus, dass wir generell eine Welle an Ratingverschlechterungen sehen werden und müssen auch erwarten, dass das Kapitalanlageportfolio davon nicht unverschont bleiben wird. Wir erwarten, dass die Niedrigzinsphase zumindest mittelfristig bestehen bleibt.

Sind weitere Anpassungen der Investmentstrategie geplant?

Wir bleiben bei unserer Veranlagungsstrategie mit Fokus auf gute Bonitäten, sowohl für Staaten als auch für Unternehmen. Im Sinne der hohen Bedeutung der Nachhaltigkeit verstärken wir auch unsere Investitionen in Richtung Schiene, Windkraft, Wasserkraft und werden unabhängig von der aktuellen Corona-Krise unsere Strategie der Erhöhung von sogenannten Green Bonds weiter fortsetzen. 

Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Krise gewonnen?

Vor allem, wie effizient die Nutzung von Home Office und digitalen Kommunikationsmöglichkeiten sein kann. Wir haben praktisch von einem Tag auf den anderen das Büro nach Hause verlegt. Alles hat nach ein paar wenigen Anfangsschwierigkeiten sehr gut funktioniert. Es wird wohl künftig nicht mehr so häufig notwendig sein, Meetings mit unseren ausländischen Versicherungsgesellschaften vorwiegend physisch abzuhalten und dafür ins Flugzeug steigen. Das heißt jedoch nicht, dass der persönliche Kontakt nicht weiterhin wichtig und unersetzbar bleibt. Gerade die Coronakrise mit den Kontaktbeschränkungen hat uns doch allen gezeigt, wie wichtig der menschliche Kontakt ist und wie sehr er uns fehlt, wenn wir ihn nicht nutzen können.

Welche Versicherung ist in Zeiten wie diesen sinnvoll – was raten Sie unseren Leserinnen?

Wir bemerken ein gestiegenes Interesse bei der Krankenversicherung. Den Menschen ist jetzt noch bewusster geworden, wie wichtig eine gute gesundheitliche Betreuung ist. Durch den exorbitanten Anstieg an Home Office Tätigkeiten steigt auch die Zeit, die wir alle im Netz verbringen, und damit auch die Cyberkriminalität. Auch hier sehe ich vor allem für selbstständig Erwerbstätige und KMU`s ein steigendes Bewusstsein, sich gegen Cyberrisiken abzusichern. Cybervorfälle und Betriebsstillstand zählen laut einer weltweiten Studie zu den größten Sorgen der Unternehmer. Und das zu Recht, denn Hackerangriffe und Cybervorfälle kosten den Unternehmen inzwischen dreimal so viel wie die Schäden durch Naturkatastrophen.

Foto: Philipp Lipiarski

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