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Kategorie: News/Medizin
PIskernik Kopie

Mehr als eine „Männerärztin“

Sie haben mit der Urologie einen für eine Frau ja eher ungewöhnlichen Fachbereich gewählt. Wie kamen Sie dazu?
Das war eigentlich nicht geplant. Gegen Ende des Studiums absolvierte ich ein Pflichtpraktikum auf der Urologie im Wilhelminenspital.
Dieses Praktikum, das Fach an sich, die Patienten und das ganze urologische Team haben mich schließlich so begeistert, dass ich mich beim Abteilungsvorstand um eine Ausbildungsstelle beworben habe, obwohl ich mit dem Studium noch nicht fertig war. Seine Antwort war: zuerst der Turnus und dann das Fach. Genauso kam es dann auch.

Was begeistert Sie so an diesem Fachbereich?
Die Vielschichtigkeit und das breite Behandlungsspektrum. Die Urologie bietet neben chirurgischen auch konservative Therapieformen, und man arbeitet häufig fächerübergreifend. Wir haben bei den Patienten ein weites Altersspektrum, sozusagen von 0 bis 100, geschlechterübergreifend. Dass Urologie ist also in jeder Hinsicht vielfältig, hat mich vor 15 Jahren schon fasziniert und tut es noch.

Der Durchschnittsbürger assoziiert das Thema Urologie aber eher mit Männern.
Das stimmt zwar, aber das Bild wandelt sich langsam. Natürlich gehen noch immer mehr Männer zum Urologen als Frauen. Doch es gibt eben auch viele Bereiche, die häufiger Frauen betreffen wie Harnwegsinfekte, Blasenschwäche oder Harninkontinenz. In meiner Ausbildung hatte ichauch einen Frauenschwerpunkt durch die sehr große urogynäkologischeAmbulanz (Inkontinenz- und Beckenbodenambulanz) im Wilhelminenspital. Mein Zugang war also von vornherein ein anderer, und deshalb war der Urologe für mich eben nicht nur der „Männerarzt“. Insofern ist es sehr positiv, dass doch immer mehr Frauen in diesen Fachbereich gehen, da viele Patientinnen ihre Probleme gerne mit einer Frau besprechen.
Von Frau zu Frau, von Ärztin zu Patientin redet man anders.


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Mehr als eine „Männerärztin“

Wie reagieren männliche Patienten auf einen weiblichen Urologen?
Eigentlich mehrheitlich positiv.Verweigerer gibt es, sie sind aber eher die Ausnahme.
Männer schätzen durchaus einen sachlichen und doch empathischen Zugang zu ihren Problemen auch wenn sicher einige eine Urologin für doch eher exotisch halten.
Sobald eine Vertrauensbasis zu dem Patienten geschaffen ist, gelingt es auch bei intimeren und unangenehmen Problemstellungen einen zunächst skeptischen Patienten dazu zu bewegen, sich zu öffnen, um gemeinsam eine optimale Behandlungstrategie zu entwickeln.

Frauen, die zum Urologen bzw. zur Urologin gehen, kenne ich eigentlich wenige. Wird die Wichtigkeit unterschätzt?
Vielleicht ist es das noch immer eher nicht so bekannte Fachgebiet der Urologie, im Vergleich zum Beispiel mit dem der Gynäkologie, das hier eine Rolle spielt.
Ein Patient oder eine Patientin mit der simplen Diagnose Harnwegsinfekt kann, wenn dieser nicht erkannt oder unnötig verschleppt wird, schon auch einmal auf der Intensivstation landen. Natürlich sollte man mit einfachen Infekten zunächst zum Hausarzt gehen, doch bei Komplikationen empfiehlt es sich dann doch ohne Verzögerung den Urologen aufzusuchen.
Auch Vorsorgeuntersuchungen für Männer wie für Frauen, die dazu beitragen sollten Erkrankungen von Niere, Blase und Harntrakt zu verhindern oder zumindest rechtzeitig zu erkennen, werden oft unterschätzt. Die Harninkontinenz gilt noch immer als ein Tabuthema, doch  das Bewusstsein für die Urologie, im Speziellen auch für die Urologie der Frau, wächst schön langsam. Der Berufsverband der Österreichischen Urologen setzt sich hier sehr ein und macht immer wieder Aufklärungskampagnen. Insgesamt scheint der medizinische Informationsstand der Bevölkerung jedenfalls besser geworden zu sein, sie ist allgemein informierter.Sie werden heute also viel mehr Leute finden, die wegen einer Inkontinenz zum Arzt gehen als früher. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir älter werden, und diese Beschwerden häufiger auftreten.

Wie haben eigentlich die männlichen Kollegen auf Sie reagiert?
Eigentlich durchwegs positiv. Ich hatte aber den großen Vorteil, dass ich nicht die erste Frau an meiner Abteilung  war – es gab im Wilhelminenspital bereits zwei Urologinnen, die mir den Weg sozusagen „geebnet“ haben. Die Ausbildung ist teilweise aber noch immer „männerlastig“, was sich aus der Geschichte des Fachs heraus erklärt.Im Großen und Ganzen habe ich gute Erfahrungen.



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Mehr als eine „Männerärztin“

Was heißt „männerlastig“ konkret?
Die Urologie ist ein chirurgisches Fach und eben traditionellerweise eher von Männern besetzt, auch wenn das Interesse bei den weiblichen Kollegen stark im Zunehmen ist.
So waren die Fachstruktur und die Vermittlung der Ausbildung von Männern dominiert. Die Ausbildung wird aber zur Zeit reformiert. In der Urologie werden viele Gebiete behandelt, die die Intimsphäre des Menschen berühren. Für mich ist daher das Erstgespräch sehr wichtig, das Vertrauenschaffen und der ganzheitliche Blick auf einen Menschen. Dafür möchte ich mir Zeit nehmen, weil dieser erste Kontakt meiner Meinung nach auch schon der erste Schritt in Richtung Therapieerfolg ist. Denn wenn sie nicht das Vertrauen des Patienten erhalten, sind Sie vielleicht trotz adäquater Therapie in manchen Fällen erfolglos. Vielleicht könnte man diesen Zugang als eher weiblich bezeichnen. Ich beschäftige mich mit der Urologie seit rund zehn Jahren wirklich intensiv und wenn Sie mich fragen, ob es ein anderes Fach gibt, in das ich gern wechseln würde, muss ich sagen: Nein, ich würde mich wieder für die Urologie entscheiden.

Sie nehmen sich also viel Zeit für Ihre Patienten?

Ich nehme mir soviel Zeit wie möglich und versuche, auf die Patienten einzugehen.
„Zuerst der Mensch“, das war das Motto meines ersten  Chefs im Wilhelminenspital, und es gilt auch für mich. In einer Spitalsambulanz hat man gewisse Rahmenbedingungen, eine gewisse Zahl an Patienten, das heißt, sie können sich nicht mit jedem eine Stunde lang über intime Probleme unterhalten. Wir versuchen natürlich auf die Patienten einzugehen, aber der Faktor Zeit wiegt in der Ambulanz eben schwer. Man muss rasch eine Lösung finden. Da gilt zwar auch „ Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, aber im Schnellverfahren. Im Rahmen der Möglichkeiten werde ich meinem Motto – und dem ganzheitlichen Ansatz – dort auch gerecht. Besser lässt sich aber meinAnspruch in der Ordination umsetzen. Ich bin seit einigen Monaten in einer kleinen interdisziplinären Gemeinschaftspraxis mit sehr sympathischen und ausgezeichneten Kolleginnen und Kollegen. Dort kann ich nun das umsetzen, was ich mir für die Patienten wünsche und ihnen die Intimsphäre und Aufmerksamkeit bieten, die in einer Ambulanz oder Kassenpraxis zu kurz kommen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein großes Plus in dieser Praxis undkommt mir sehr entgegen. So versuche ich mich auch über mein eigentliche Fachgebiet hinaus weiterzubilden und bin an vielen Wochenenden unterwegs zu Kursen, Seminaren, und Fortbildungen, zur Zeit vor allem im Bereich der Urogynäkologie.

Wie schaffen Sie das alles?

Spital und Praxis ergänzen sich für mich gut  und lassen mir auch noch Zeit für meine Familie- meinen Mann und meine beiden Kinder. Aber natürlich muss man gut planen und organisieren, und ohne Unterstützung durch „gute Geister“ würde ich es nicht schaffen.