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Dr. Doris Burtscher, Ärzte ohne Grenzen


Dr. Doris Burtscher hat an der Universität Wien Kultur- und Sozialanthropologie studiert und 2001 in ihrem Spezialgebiet Ethnomedizin promoviert.Für Feldforschungszwecke lebte und arbeitete die gebürtige Vorarlbergerin insgesamt zweieinhalb Jahre im Senegal. Eine Erkundungsmission in Mauretanien war ihr erster Einsatz für Ärzte ohne Grenzen. Nun organisiert die Top-Medizinerin in Wien Trainings, in denen freiwillige Mitarbeiter/innen von Ärzte ohne Grenzen auf deren Auslandseinsätze vorbereitet werden.

Frau Dr. Burtscher, Sie sind Ethnomedizinerin. Was genau versteht man darunter?
Ethnomedizin untersucht die verschiedenen medizinischen Systeme in verschiedenen Ländern. Sie macht aber keinen wertenden Unterschied, sondern betrachtet alle als kulturgebundene Systeme, mit denen die Probleme in Bezug auf Gesundheit, Krankheit und Heilung gelöst werden sollen. Die Ethnomedizin untersucht Krankheitsvorstellungen, Behandlung von Krankheit und präventive Maßnahmen um Krankheit zu vermeiden.
Eine Ausbildung, die wohl nicht nur an der Universität gemacht werden kann?
Für meine Doktorarbeit verbrachte ich fast 2 Jahre im Senegal. Ich habe das Leben und die Arbeit eines traditionellen Heilers studiert und auch bei ihm gelebt. So konnte ich seine Arbeit genau kennenlernen, einige seiner Krankheitsfälle aufarbeiten und das medizinische System anhand einer Heilerbiografie aufzeigen.
Setzen Sie sich für das Zusammenspiel von traditionellen Heilern und der Schulmedizin ein?
Das ist immer eine meiner Empfehlungen in den Berichten für Ärzte ohne Grenzen. Wir können nur erprofession folgreich sein, wenn wir mit den Heilern zusammenarbeiten. Sie kennen die Menschen, sie kennen die Kultur, sie genießen das Vertrauen der Menschen und nehmen eine ganz wichtige Position ein. Das Vertrauen in die westliche Medizin kommt erst, wenn es beim Heiler nicht geklappt hat.
Wie machen sich die kulturellen Unterschiede beim Empfinden einer Krankheit bemerkbar?
Patienten tendieren dazu, zwei Ursachen gleichzeitig für den Ausbruch einer Krankheit verantwortlich zu machen, eine natürliche, wie Infektion, Kälte, schlechtes Essen oder Überarbeitung und eine sozio-kulturelle wie Disharmonie mit dem sozialen Umfeld, mit Gott, den Geistern und den Ahnen.
Wenn ein Mensch in Afrika von einem herunterfallenden Ziegel verletzt wird, fragt er sich, warum ist dieser Ziegel in diesem Moment auf mich gefallen? Warum? Er glaubt dann z. B. ein Mensch habe diese Ursache ausgelöst oder eine göttliche Instanz oder seine Ahnen, weil er zu wenige Opfer gebracht hat, oder böse Mächte.
Nach welchen Kriterien wurden Ihre Auslandseinsätze geplant?
Ich bekam von Ärzte ohne Grenzen einen Faktenkatalog, was gebraucht wird: z. B. das traditionelle medizinische System der verschiedenen Ethnien aufarbeiten, die Frage klären, wie Menschen mit Gesundheit und Krankheit umgehen, wo sie im Krankheitsfall Hilfe suchen und warum die Menschen oft so spät ins Krankenhaus kommen, wie wird das Krankenhaus wahrgenommen und wie die angebotene Hilfe von Ärzte ohne Grenzen angenommen. Ich stelle dann vor Ort meine Fragenkataloge zusammen und überlege mir, mit welchen Zielgruppen ich arbeiten werde. Ich spreche
mit Heilern, traditionellen Hebammen, mit Dorfbewohnern, mit dem Personal in den Krankenhäusern, mit Patienten und deren Angehörigen etc.
Mit diesen Ergebnissen können wir dann mehr Verständnis für andere Kulturen aufbauen und die Projekte an die Begebenheiten vor Ort und an die Bedürfnisse der Bevölkerung anpassen.
Nach jahrelangen Einsätzen im Ausland sind Sie nun in Wien anzutreffen. Ich leite Seminare und Coachings für medizinisches Personal. Das heißt, ich bereite sie auf ihre Auslandseinsätze vor. Gebe Tipps, wie man auf Menschen unterschiedlicher Kulturen eingeht. Sensibilisiere sie für kulturabhängige Verhaltensweisen und freue mich sehr darüber, meine Erfahrungen weitergeben zu können. 
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