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„Ohne Wirtschaft steht die Welt still“: Wirtschaftsblatt Chefredakteurin Eva Komarek im ABW-Interview
Sie war unter anderem im Gründungsteam des Wirtschaftsblattes, leitete das Korrespondentenbüro für Dow Jones und das Wall Street Journal, war Senior Correspondent von Reuters, kehrte 2011 zum Wirtschaftsblatt zurück und wurde 2014 Chefredakteurin. Eva Komarek, mit Leibe und Seele Wirtschaftsjournalistin, über ihre Karriere, warum Wirtschaft so spannend ist und warum sich beim beruflichen Aufstieg manchmal selbst im Weg stehen.
Was waren die wichtigsten Stationen ihrer Karriere?
Wichtig für meine Karriere war sicherlich der Wechsel vom österreichischen zum internationalen Journalismus. Ich habe mit dem Wirtschaftsjournalismus im WirtschaftsBlatt begonnen, gehöre quasi zur Gründungsmannschaft, und habe mir meine ersten Sporen verdient. 2000 wurde ich allerdings von Dow Jones Newswires abgeworben und habe den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Internationale Nachrichtenagenturen sind eine ganz andere Welt als österreichischer Journalismus. Ich berichtete fortan in Englisch und war nach kürzester Zeit mit einem weltweiten Netzwerk an Kollegen verbunden. Das ermöglicht ein völlig anderes Arbeiten. Auch der Qualitätsanspruch ist mit heimischem Journalismus nicht vergleichbar. Ich hatte zudem das große Glück einen großartigen Mentor zu haben, der mich durch die ersten Monate begleitete, als ich nach relativ kurzer Zeit die Leitung des Korrespondentenbüros für Dow Jones und das Wall Street Journal übernahm. Er war ein lang gedienter Reporter, der schon in fast jeder Sparte gearbeitet hatte, von Kriegsberichterstattung über Politik und Chronik bis zur Wirtschaft, bei der er dann letztlich geblieben ist. Er arbeitete für Reuters, für AP, das Wall Street Journal und die New York Times und hat mir das Handwerk des Qualitätsjournalismus mit allen Tricks beigebracht. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.
Was zeichnet das Wirtschaftsblatt aus?
Es ist Österreichs einzige Wirtschaftstageszeitung. Sie informiert über die wichtigsten Geschehnisse der Wirtschaft im In- und Ausland und liefert darüber hinaus Servicegeschichten, also „News to use“. Als Journalisten des Blattes verstehen wir uns als Dienstleister und Sprachrohr der Wirtschaft.
Welche Leserinnen und Leser sprechen sie an?
Unternehmer, Entscheidungsträger, Selbstständige, Investoren und alle, die an dem Thema Wirtschaft interessiert sind.
Warum Wirtschaftsjournalismus – war das immer schon ihr Ziel?
Durch meine Mutter, die in einer Bank gearbeitet hat, war früh die Nähe zur Wirtschaft da. Mit dem Eintritt beim WirtschaftsBlatt war dann der Weg besiegelt. Wirtschaft ist für mich wahnsinnig spannend, weil sich letztlich fast alles darum dreht. Ohne Wirtschaft steht die Welt still.
Was mögen sie an ihrem Beruf und was sagt Ihnen eher nicht zu?
Man ist immer am Puls der Zeit, kann Missstände thematisieren, lernt sehr viele interessante Menschen kennen und kein Tag gleicht dem anderen. Was ich nicht mag ist, dass der Qualitätsjournalismus in Österreich aufgrund Ressourcenknappheit immer mehr unter die Räder kommt.
Wie kommen sie zu ihren Storys?
Zu exklusiven Geschichten kommt man vor allem durch gute Kontakte und Informanten.
Haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten in den letzten Jahren verändert?
Stark, weil, wie schon vorher angesprochen, die Ressourcen knapper geworden sind. Immer weniger Redakteure müssen immer mehr Seiten füllen. Bei Tageszeitungen gibt es kaum noch die Zeit einmal einen Tag lang nur zu recherchieren. Außerdem müssen Redakteure heute das Handwerk aufgrund des digitalen Zeitalters in mehr als einem Medium beherrschen. Sie müssen sowohl Print als auch Online und Social Media bespielen können. Das hat auch dazu geführt, dass sich das Arbeitstempo beschleunigt hat.
Wenn sie nicht Journalistin wären, dann...
Da ich seit fast 20 Jahren neben der Wirtschaft über den Kunstmarkt schreibe, hätte ich vermutlich einen Beruf im Kunst-Umfeld.
Es gibt immer mehr Chefredakteurinnen in Österreich oder täuscht das?
Es sieht so aus und es ist auch höchste Zeit, dass Frauen auch im Mediengeschäft an der Spitze mitmischen.
Warum sitzen in Österreichs Unternehmen immer noch relativ wenige Frauen im Chefsessel, sind Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder?
So traurig es ist, es dürften immer noch Frauen die schlechteren Karten haben, in Führungspositionen zu kommen, weil sie die Last der Vereinbarkeit von Familie und Beruf tragen. Studien belegen, dass höhere Frauenanteile in Führungspositionen dazu führen, dass wiederum mehr Frauen aufsteigen. Unternehmen müssen sich bemühen, das Potenzial von weiblichen Führungskräften bewusst zu erschließen.
Stehen sich Frauen beim beruflichen Aufstieg nicht doch auch manchmal selbst im Weg, sind sie zu wenig egoistisch, zu bescheiden oder weniger gut vernetzt?
Definitiv. Frauen stellen sich viel häufiger selbst in Frage, wenn es um die Qualifizierung geht. Männer trauen sich Aufgaben viel eher zu, als Frauen das tun und treten entsprechend selbstbewusster auf. Frauen widmen sich lieber der Entwicklung ihrer Arbeit als dem Konkurrenzkampf. Diese Machtspiele, die häufig notwendig sind, um an die Spitze zu kommen, muss man mitspielen wollen. Dazu gehört große Entschlossenheit und viel Selbstvertrauen. Es wird auch immer thematisiert, wenn eine Frau in eine Spitzenposition aufrückt. Ich war einmal auf einer Pressekonferenz eines großen, internationalen Technikkonzerns anlässlich der Bestellung eines neuen weltweiten Vorstandes für eine Sparte. Es war eine Frau. Ihre ersten Worte waren: „Sie werden sich sicher wundern, dass eine Frau hier vor ihnen sitzt.“ Und dann hat sie zehn Minuten lang erklärt, warum sie qualifiziert ist für diesen Job und daher richtigerweise hier sitzt. Wenn Frauen sich bemüßigt fühlen zu rechtfertigen, warum sie und nicht ein Mann eine Führungsposition bekommen hat, stehen sie sich selbst im Weg.
Foto: Nathan Murrell