Aktuell
Megatrends 2012
Die Konjunkturaussichten für die Weltwirtschaft 2012 haben sich in jüngster Zeit weiter verschlechtert. Vor dem Hintergrund globaler ökonomischer und sozialer Ungleichgewichte, der anhaltenden Schwäche der US-amerikanischen Wirtschaft und der weiterhin ungelösten Schuldenkrisen in den meisten europäischen Ländern werden die Wachstumsprognosen für die wichtigsten Wirtschaftsräume Woche für Woche nach unten revidiert. Alle Indikatoren deuten darauf hin, dass es 2012 weiter nach unten gehen kann. Somit verdichten sich die Zeichen für einen weiteren Abschwung der Weltwirtschaft. Von der UNO über den Internationalen Währungsfonds bis hin zur Europäischen Zentralbank sind alle Experten pessimistisch gestimmt. So stellt die aktuelle Schuldenkrise in der Eurozone das „akuteste Risiko“ für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesamtweltwirtschaft dar. Es bestehe die reale Gefahr, dass die Probleme in Europa und die schwächelnde Wirtschaft in den USA sich gegenseitig verstärken und schlussendlich in eine globale Rezession führen. In der ersten Jahreshälfte 2012 rechnen die Experten sogar damit, dass die Eurozone in eine neue kurzfristige Rezession rutschen kann. Erst ab dem zweiten Quartal 2012 wird wieder mit positiven Zahlen gerechnet. Insgesamt rechnen die Experten lediglich mit einem leichten Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent, was de facto eine ökonomische Stagnation bedeutet. In europäischen Krisenstaaten wie Portugal mit einem Minus von 3,2 Prozent, Griechenland mit 3,0 Prozent und Italien mit 0,5 Prozent wird es sogar zu einer Rezession kommen. Auch für Österreich wird für 2012 insgesamt nur noch mit einem verhaltenen Wachstum von 0,6 Prozent ausgegangen. Somit wird die Konjunktur um vier Fünftel gegenüber heuer einbrechen. Erst 2013 soll es wiederum zu einem bescheidenen Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent kommen. Es geht aber nicht nur um eine ökonomische Krise, Europa, Österreich und die Welt befinden sich auch in einer sozialen Krise, die zu einem Teil wiederum in den wirtschaftlichen Problemen resultiert.
Krise als BasisObwohl derzeit vielerorts Weltuntergangsstimmung herrscht und ein großer Teil der Entscheidungsträger und handelnden Personen erkennt, dass es so nicht mehr weitergehen kann, ist die globale Krise auch eine Chance, innezuhalten und zu überlegen, wie man eine grundsätzliche Wende in vielen globalen Themenkreisen herbeiführen kann. Nur wenn man sich von manch lieb gewonnenen, dafür aber eingefahrenen Ideen und Wegen konsequent verabschiedet, wird es eine Trendwende geben, die die Basis für eine positive langfristige Entwicklung bilden kann. Die Globalisierung, die neue Mobilität, E-Commerce, die Alterung der westlichen Gesellschaft, die Individualisierung, die zukünftige Gesundheits- und Pflegesituation, das lebenslange Lernen oder die neuen ökologischen Herausforderungen sind Bereiche, auf die die Gesellschaft und damit die Wirtschaft reagieren muss. Denn hier liegen einerseits soziale Gefahren, andererseits aber auch neue Geschäftsfelder, die neue Branchen, neue Arbeitsplätze und damit Wertschöpfung und ökonomischen Langzeiterfolg garantieren können. Aktuell sind wir mit globalen Trends konfrontiert, auf die wir mittel- und langfristig reagieren müssen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Es ist ein allgemein anerkanntes Faktum, dass die anhaltende Globalisierung den Planeten zum Dorf gemacht hat und alle Lebensbereiche betrifft. Der durch Globalisierung ausgelöste tief greifende gesamtgesellschaftliche Strukturwandel hat nachhaltige Auswirkungen, die negative aber auch positive Konsequenzen haben. Eine bisher geltende Einteilung der Welt in traditionelle Industriestaaten, Schwellenländer und Entwicklungsländer ist im Zuge fortschreitender Globalisierung nicht mehr aussagekräftig. Globalisierung heißt vor allem auch Individualisierung, Mobilität, Aufbrechen bisherige kultureller und sozialer Identitäten. Hand in Hand mit der Globalisierung und Individualisierung geht der demografische Wandel. Die Generation der vormaligen Babyboomer aus der Nachkriegszeit ist in die Jahre gekommen, eine neue ähnliche Generation ist derzeit nicht in Sicht. Demografischer Wandel wird in Europa oft auch als soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedrohung angesehen. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts wird vor allem Mitteleuropa zunehmend vergreisen. Damit gehen Folgeprobleme wie Strukturwandel, Umverteilung, Absatzkrisen und Arbeitsplatzverlust Hand in Hand.
Megatrends 2012
Individualisierung
In unseren modernen Gesellschaften ist die Abhängigkeit des Einzelnen von traditionellen sozialen Bindungen und Normen stark gesunken. Vor allem durch einen allgemeinen Wohlstandszuwachs in der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten entstanden für die Menschen neue Freiheiten und Optionen. Diese Tatsache ermöglicht immer mehr individuelle Entscheidungen wie etwa im Bereich der privaten Lebensführung, des Konsumverhaltens, der Mediennutzung oder der Organisierung der eigenen Mobilität. Das bedeutet, dass die Formen des Zusammenlebens zu einem immer geringeren Teil Ergebnis gesellschaftlicher Zwänge und Vorgaben sind. Es ist vielmehr das Resultat eigenständiger menschlicher Wahlentscheidungen und Wünsche. Auf dieser Grundlage entwickelt sich eine neue Vielfalt der Lebensformen, die aber auch die Nachfrage nach neuen Formen der Arbeitswelten sowie die Dienstleistungs- und Produktnachfrage bedingen.
Diese Art der Individualisierung bedeutet also nicht nur den Trend zu einer reinen „Single-Gesellschaft“ inklusive einer Selbstverwirklichungskultur, sondern bringt auch neue Formen sozialer Gemeinschaft hervor. Individualisierung führt also keineswegs zur totalen sozialen Erosion und zu einer Gesellschaft, die nur noch durch Egoismus und Vereinsamung des Menschen geprägt ist. Werte, die auf Gemeinschaft und gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgerichtet sind, haben nach wie vor Bestand. Nur haben sich diese geändert. Auf diese Tatsache müssen die Produzenten und Dienstleister reagieren, dann können sich neue Geschäftsfelder inklusive ökonomisch tragfähiger Wertschöpfungsketten bilden. Stichworte sind hier etwa:
Verweiblichung
Die Individualisierung ist als Trend von der Verweiblichung der Gesellschaft nicht zu trennen. Selbst wenn es manchen Frauenrechtlerinnen immer noch zu langsam geht, das weibliche Element ist schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch hier bieten Globalisierung, Demografie und Mobilität die Rahmenbedingungen. Aber die Landung des weiblichen Elements in der Mitte der Gesellschaft, d.h. Gleichberechtigung in den Arbeitswelten und in der sozialen Gemeinschaft, verlangt nach einer tauglichen Basis an Angeboten, die diese Entwicklung stützt und damit gleichzeitig absichert. Aktuell sind die Frauen die Bildungsgewinner, sie haben die besseren Schulnoten und sind erfolgreicher in beruflicher Ausbildung und Studium, dies führt zum Aufstieg in der beruflichen Hierarchie, verlangt aber auch nach individueller Kinderbetreuung und gesellschaftlicher Akzeptanz der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem kommt, dass es immer mehr Unternehmerinnen gibt. Auch hier ergibt sich als Konsequenz die Nachfrage nach neuen Produkten, etwa in Sachen Kommunikation und Mobilität oder neuen Dienstleistungen, etwa Wohnungsmarkt, Kommunikation und Service rund um Kinder, Familie und Haushaltsführung. Umgekehrt ändern sich auch Rollenverständnis und Bedürfnisskala der Männer und bilden dadurch die Quelle für neue Geschäftsmodelle. Stichworte sind hier etwa: mehr Väter in Elternteilzeit, mehr Mädels in Männerberufen, mehr Männer am Herd oder Frauen als Wachstumsfaktor am Automobil- und Handymarkt.
Silberne Generation als Zukunftsmarkt
Lange wurde die silberne Generation durch die Wirtschaft vernachlässigt, obwohl sie heute bereits 36 Prozent der Gesamtbevölkerung umfasst. Dabei verfügt die Generation 50+ mit 22.300 Euro pro Kopf und Jahr um 22 Prozent mehr Jahreseinkommen als der heimische Durchschnitt in der Bevölkerung. Sie ist damit die Altergruppe mit der größten Kaufkraft. Die Altersgruppe 50 bis 59 Lebensjahre ist in diesem Zusammenhang besonders kaufkräftig. Mit 24.300 Euro haben die 50- bis 59-Jährigen das größte Einkaufsbudget. Ihre Kaufkraft ist um 33 Prozent höher als der Durchschnitt aller Altersgruppen, der 18.300 Euro beträgt. Insgesamt vereinigt die Generation 50+ nicht weniger als 68 Mrd. oder 44,3 Prozent des gesamten österreichischen Kaufkraftvolumens. Das ist sogar mehr als die im aktiven Erwerbsleben stehende Altersgruppe 20 bis 49 Lebensjahre. Innerhalb der nächsten 20 Jahre werde der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung um weitere acht Prozent steigen, zwei von drei Österreichern über 50 sind jedoch derzeit schon Pensionisten. Sie haben mit knapp 17.000 Euro im Ruhestand um acht Prozent deutlich weniger für Ausgaben zur Verfügung als der Querschnittsösterreicher. Durch den weiteren demografischen Wandel wird die silberne Generation zum dominierenden gesellschaftspolitischen Faktor. Das muss in Zukunft besser genutzt werden. Die Generation 50+ hat einen ungemeinen Erfahrungsschatz und ist dadurch in der Lage, unsere Gesellschaft zu bereichern. Deshalb sollte man das Engagement dieser Generation in Beruf und Gesellschaft viel mehr nutzen als bisher.
Megatrends 2012
Aktuell sieht die gelebte Praxis noch anders aus: Wer ein gewisses Alter überschritten hat, dem wird der Stempel der Überflüssigkeit verpasst. Kaum ein Arbeitnehmer erreicht real das gesetzliche Pensionsantrittsalter. Altersteilzeit, Berufsunfähigkeitspension und Arbeitslosigkeit nehmen diese Generation schon ab dem 50. Lebensjahr sehr oft aus dem realen Berufsleben. Wenn man dieser Gruppe aber die Teilnahme am Arbeitprozess verunmöglicht, dann wird sie auch als Konsument früher oder später ökonomisch ausfallen. Dabei wird diese Generation für Produzenten und Dienstleister zunehmend interessant, Stichworte sind hier etwa: 50-Jährige als neue Onlineshopper, wachsender Kosmetik-, Gesundheits- und Pflegemarkt für die Generation 50+, Seniorentourismusdestinationen für Aktivurlauber, ältere Verkehrsteilnehmer als wachsender Zukunftsmarkt etc. Mark Ruhsam, Marktforscher bei RegioData, dazu: „Die heutige Generation 50+ ist modebewusst und technologieaffin und legt Wert auf Qualität. Diese Tendenz wird sich in Zukunft noch verstärken.“
Neue Arbeitswelten
Die Wirtschaft der Zukunft verlangt auch nach neuen Arbeitswelten. Es wird immer wichtiger, Unternehmensprozesse auf die modernen Anforderungen auszurichten. Unternehmen und ihre Mitarbeiter brauchen nutzbare Lösungen, die alle Anforderungen an Mobilität, Flexibilität und Kommunikation erfüllen, maximale Produktivität ermöglichen und diese entsprechend fördern. Arbeitsprozess und Arbeitsanforderungen müssen mit dem Gebäudemanagement, der Raumnutzung und der Unternehmenskultur einer Firma, ob in der Dienstleistung oder Produktion, in Einklang gebracht werden. Dabei sind Kreativität, Innovation und Performance gefragt, aber schlussendlich auch das Resultat dieser Veränderung. Damit sind die neuen Arbeitswelten die Antwort auf die modernen und hochflexiblen Anforderungen der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft. Um modernes Wirtschaften zu ermöglichen, geht der Weg immer mehr weg vom traditionellen Büroalltag und hin zu flexiblen und innovativen Arbeitsmodellen und Arbeitumgebungen. Dies geht Hand in Hand mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Solche Arbeitsplätze sind attraktiv, fördern die Kreativität, Zusammenarbeit und steigern die Performance im Unternehmen. Durch solche attraktive Arbeitsplätze können die Arbeitsplatzkosten erheblich gesenkt werden. Ziel ist hier die idealtypische Verbindung von Arbeitnehmer, Raum und technologischer Unterstützung. Ein neuer Arbeitsstil, innovative Kommunikationstechnologien und eine neue Vertrauenskultur unterstützen diese neuen Arbeitswelten. Stichworte sind hier etwa: immer mehr Teilzeitjobs, neue Arbeitsteilung Service und Wissen, Dienstleistungs- statt Industriestandort. Matthias Horx, Zukunftsforscher, sieht die Zukunft des Arbeitsplatzes deshalb auch sehr positiv: „Die Arbeitssphäre der Zukunft braucht Duft, Farbe, Gestalt und Atmosphäre.“
Regeneration als Zukunftsmarkt
Früher wurde Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiert. Dies hat sich grundlegend geändert. Gesundheitsorientierung und persönliche Regeneration sind stark im Kommen. Diese „Wohlfühlwirtschaft“ verzeichnet ein starkes Wachstum und hat zur Entwicklung völlig neuer Berufsbilder und Unternehmenszweige beigetragen. Aktuell sind etwa gesundheitsorientierte und ausgewogene Ernährung im Trend, der Bioproduktemarkt boomt. Fitness und körperliche Bewegung gehören zum neuen Lifestyle. Eine neue Balance zwischen Geist und Körper ist zu einem expandierenden Geschäftszweig herangewachsen. Aktuell verbinden schon 43 Prozent der Befragten mit Gesundheit Wohlbefinden und damit Lebensfreude. Der Gesamtmarkt für Gesundheit und Wohlfühlen wird sich bis zum Jahre 2020 allein in Österreich auf rund 68 Mrd. Euro jährlich ausweiten. Gesundheit gilt damit als Zukunftsmarkt schlechthin. Gesundheitstourismus, Pflegewirtschaft, Kosmetikindustrie, Sport- und Freizeitwirtschaft, alle profitieren von diesem anhaltenden Trend. Stichworte sind hier etwa: Selbstmedikation, steigendes Gesundheitsbewusstsein, boomender Wellnessmarkt und gesunde Ernährung. Auch hier sind Langzeittrends für Zukunftsforscher Matthias Horx abzuleiten: „Wer bisher dachte, grüner geht’s nicht mehr, der irrt. Denn was bisher als bio und öko bei uns angekommen ist, kann vorsichtig als Vorhut bezeichnet werden. Das Bewusstsein für Umwelt und Ethik hat seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht.“
Neue Mobilität
Die Zukunft gehört zweifellos auch einer neuen Ökologie verbunden mit Mobilität. So gewinnt der Markt für Umwelttechnologien gerade für die Zukunft eine ungeheuere Bedeutung, etwa für den Export nach China oder Indien. Ein weiterer Faktor ist die Mobilität im Sinne von Informationsaustausch. Durch neue Finanzierungsmodelle erobert das Mobiltelefon jetzt auch Afrika, Asien und Arabien. Dieser Zugang zum Informationsaustausch ermöglicht den Menschen dort den Anschluss an den Weltmarkt und die Demokratie.
Der Markt für Second-Hand-Handys, Reparaturdienste oder Mietmobiltelefone boomt in den Schwellenländern, aber auch in der gesamten Dritten Welt. In jenen Gebieten, wo die Einwohner jahrelang auf die Möglichkeit eines Festnetztelefons warteten, ist heute das Mobiltelefon als Alternative präsent. In den Städten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gibt es eine Gründerzeit für Cybercafes. Dort herrscht ein neuer Nachfragehype auf das World Wide Web. Wirtschaft und Medien ziehen nach. Durch zunehmende Sprachkompeten entstehen globale Call-Center-Netze in vielen Schwellenländern. Rund um die Welt entstehen so Kommunikationsmetropolen. Sie befinden sich bereits jetzt auf dem Weg zu ähnlichen Standards wie hier und werden zu zukünftigen universellen Standorten für das Global Business.
Die steigende weltweite Vernetzung bietet Dienstleistern und Produzenten ein riesiges neues Potenzial, das es zu nutzen gilt. Durch den Wegfall von herkömmlichen Transporten und Reisetätigkeiten wird somit auch im Sinne des Umweltschutzes ein wesentlicher Beitrag geleistet. Äußerst positiv sieht dies etwa der Gesellschaftswissenschaftler und Trendforscher Peter Zellmann: „Die Mobilität durch digitale Technologie ermöglicht es uns, spontaner und flexibler zu sein. Die einseitige Organisation weicht nun einer Ganzheitlichkeit der Lebensform.“