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ABW-Reisetipp: Flanderns goldenes Städtedreieck

Wenn die Leserin im Zuge eines Brüssel-Aufenthaltes noch zwei, drei Tage „dranhängen“ kann, sollte sie dieses unbedingt zum Besuch der drei Städte nutzen. Das belgische Schienenverkehrsnetz ist ausgezeichnet und nach einer  halbstündigen Zugfahrt erreicht man den Hauptbahnhof von Gent Sint Pieters, der vor mehr als hundert Jahren außen wie eine türkische Moschee gestaltet wurde. Ob per Taxe oder einer kurzen Straßenbahnfahrt, rasch ist die Altstadt erreicht, in der in alten Gemäuern moderne und luxuriöse Hotels eingerichtet sind. In Gent ist alles Sehenswerte bequem zu Fuß zu erreichen. Wird das prächtige gotische Rathaus mit den teilweisen Renaissance Mauerverblendungen als Ausgangspunkt genommen, bedarf es nur rd. 200 Schritte, um in die  gewaltige St. Bavo Kathedrale zu gelangen. Hier kann – neben jede Menge anderer künstlerischer Höhepunkte - der berühmte „Genter Altar“ der Brüder van Eyck aus dem Jahr 1432 betrachtet werden. Nach der Mona Lisa gilt das offiziell „Lamm Gottes“ heißende zweiflügelige Großgemälde als das Bild Nummer zwei unter Kunstexperten. Ein frühes Gemälde, das nicht zu beschreiben, sondern nur zu betrachten und ein einmaliges Kunsterlebnis ist.

Wegen der dann in der Regel sofort anstehenden Pause gleich vorab: Belgien ist ein ausgesprochenes Biertrinkerland. Jedes Lokal, jedes Café hat mindestens dreißig verschiedene Biersorten zur Auswahl, die samt und sonders süßer als die bei uns gewohnten sind. Die Speisekarten versprechen primär Pfannkuchengerichte, Waffeln mit Erdbeeren, Sahne bis hin zu köstlichem Spekulatiusmousse und weitere Gerichte, die stark an Kalorien erinnern.
Da die Belgier nicht schlanker oder dicker als die sonstigen Europäer sind, kann man ruhig zwei Tage das  Thema Hüftengold vergessen.  Nicht nur in den Altstadtlagen dieser drei Städte ähneln sich die zahllosen Cafés und kleinen Restaurants auffällig: Sie befinden sich in der Regel in   spitzgiebeligen ehemaligen Gildehäusern, zumeist um die Marktplätze herum und haben alle überdachte Terrassen mit Sicht zum Straßengetriebe.
Der anschließende Bummel führt automatisch an Kirchen und zahlreichen Cafés vorbei Richtung der Sint Michiels Kerk. Die direkt an der Kirche liegende Kanalbrücke bietet in alle vier Himmelsrichtungen einen fantastischen Rundumblick über die Altstadt. Einige Stufen hinab auf der Kornlei hat sich – nach außen völlig unauffällig – in zwei alten Gildehäusern -  das Marriott Hotel etabliert. Schräg vis à vis sind die  Anlegestellen für die offenen Sightseeing - Boote.  Eine Fahrt auf den alten Kanälen - Gent war früher mit der Nordsee durch Kanäle verbunden – führt an der beeindruckenden und ungemein romantischen Grafenburg sowie am alten Fischmarktgebäude (heute u.a. ein ausgezeichnetes Fisch- und Muschelrestaurant beherbergend) vorbei. Ferner an vielen ehemaligen Lagerhäusern, die entweder zu Restaurants oder zu teuren Eigentumswohnungen umgebaut worden sind. 

In der die Kornlei anschließenden Breydelstraat reiht sich Café an Café, Restaurant an Restaurant. Zu empfehlen ist der „Club Reserva“, dessen Terrassenseite schon vom Sightseeingboot zu sehen ist. Ein sehr romantisches Plätzchen, in dem man unbedingt eine  Gaspacho oder/und vegetarisches Risotto mit Tofu und Auberginen essen sollte, um den Pfannkuchengenuss vom Mittag  etwas zu kompensieren. In ungemein vielen kleinen Lädchen finden sich handgefertigte Kleider, ausgefallene Handtaschen aus Recylingmaterialien und andere Vintage – Outfits. Hier macht das Stöbern besonderen Spaß und die Zeit verfliegt nur so.

Am zweiten Tag empfiehlt sich die vierzigminütige Zugfahrt zur – gewissermaßen seit jeher – einer der größten europäischen Hafenstädte Antwerpen. Der Hauptbahnhof ist im  prächtigsten, typisch belgischen Jugendstil erbaut worden und eine wahre architektonische Augenweide
Im Gegensatz zu fast allen Hauptbahnhofumgebungen mit ihren Multi-Kulti-Imbisseinrichtungen, kleinen Zeitungsgeschäften und etwas Rotlichtmillieu kann sich die Besucherin an den Auslagen der Aberdutzenden von Geschäften links und rechts der De Keyserlei nicht sattsehen. Denn es sind ausschließlich Geschäfte, die Brillantschmuck aller Art und Größe anbieten. Antwerpen ist die Welthauptstadt des Diamanthandels und -schliffs, jeder zweite Diamant wird über Antwerpen umgeschlagen. Die kurze de Keyserlei verlängert sich in die umtriebige Meir. Nach wenigen Schritten biegt die Besucherin nach links in die Wapper und steht vor dem prächtigen, im italienischen Stil gebauten Palais des Malerfürsten und Diplomaten Peter Paul Rubens. Dieses ist unbedingt eine Besichtigung wert (Mo. geschlossen). Bei einem Rundgang können neben Originalwerken des Meisters und seiner Werkstatt prächtige Möbel und Gobelins bestaunt werden. Die Besucherin sollte auf ihrem weiteren Weg Richtung Grote Markt, das pitureske Zentrum der Altstadt, ebenfalls auf der linken Seite der Meir drei gastronomische Perlen  im Auge behalten.

Davon wird sie eine– nach der Qual der Wahl – auf dem Rückweg frequentieren: Im Palast Meir, dort hat schon Napoleon residiert, bietet das Café Imperial ganztägig „Gabelfrühstücke“ in luxuriöser Ambiente an bzw. daneben das „Chocolate Line“ - rundherum eine süße Verführung mit belgischer Pralinen- und Schokoladenkunst. Einige Schritte weiter liegt das jüngst aufwendig renovierte, im Empirestil gehaltene große Gebäude Stadtfestsaal. Im ersten Stock befindet sich mit „La place“ ein Topp Selbstbedienungsrestaurant mit ausgefallenen Suppen und Salatkreationen (eingedenk des vortägigen Genusses von Waffeln mit Spekulatiusmousse) sowie mit tollem Blick auf das Innere des Saales mit den zwei Champagnerbars. Auf dem weiteren Weg fällt der Besucherin auf der rechten Seite der Groen Plaats mit der dahinter liegenden Kathedrale auf. Spätestens auf einer der zahlreichen  Caféterrassen vor den Gildehäusern, empfiehlt es sich bei einem Kaffee auf den stündlich fahrenden „Touristram“ zu  warten.

Während der Stadtrundfahrt kann die Besucherin erleben, welch weltstädtisches Getriebe in Antwerpen herrscht. Ein Opernhaus, Dutzende von Modegeschäften mit „brands“ und große Kaufhäuser bietet die Stadt.
Das verglaste, an eine Kleinbahn erinnernde Gefährt zeigt der Besucherin  binnen einer Stunde alle Sehenswürdigkeiten der Altstadt. aber auch den neuen Antwerpener Bürgerstolz, das 2011 fertiggestellte Museum MAS. Ein schon extravaganter Bau, von dessen Dach der Blick über Antwerpen, den Hafen und die alte gewaltige Trutzburg Steen am Scheldeufer grandios ist. Seit Februar 2012 ist direkt am MAS eine ständige Ausstellung eingerichtet, die über Gewinnung, Schnitt und Schliff der wertvollen Diamanten informiert. 
Nach diesem bequemen Überblick zieht es die Besucherin in die Kathedrale, ein Prachtbeispiel gotischer Baukunst mit zahlreichen großformatigen Gemälden der ersten Garde flämischer Maler. Davon alleine vier Gemälde von Rubens. Aus der Kathedrale kommend, fällt der Blick auf das prächtige Rathaus im flämischen  Renaissance. Wie an allen flämischen Rathäusern ist auch diese an der Außenmauer mit Dutzenden von Fahnen der belgischen Provinzen und der EU-Länder verziert. Eine sehr farbenfrohe Ansicht. Auch hier am Grote Markt findet die Besucherin Dutzende von typisch belgischen Cafés, aber sie zieht es zurück auf die Meir in eines der drei o. erwähnten Restaurants. Am besten eignet sich das „La place“. Da man  nicht weiß, was der Abend in Gent kulinarisch noch bringen könnte, ist vorerst leichte Salatkost angeraten.

Gewissermaßen die Krönung ist der dritte Tag in Brügge. Nach zwanzigminütiger Zugfahrt und rd, 150 Meter Spaziergang über den Stationsplain taucht die Besucherin völlig in die Welt des 13. bis 15. Jahrhunderts ein.  Sie versteht sofort, warum ausgemachte Brügge-Fans, vor allem sonntags ab sechs Uhr früh, die Altstadt mit ihrer so großen Vergangenheit allein mit ihren Gedanken wieder und wieder durchwandern zu pflegen. Weltweit gilt Brügge als eine der schönsten Städte. Patrizierhäuser, grandiose Kirchen und Kunstschätze sind stille Zeugen einer glorreichen Vergangenheit. 
Wer die Oostmeers, anschließend die Silverstraat und Steenstraat entlang geht, wundert sich nur, weil in dieser immerwährenden Romantik von schmalen Seitenstraßen mit ihren zweistöckigen, aus roten Ziegel erbauten Häusern mit ihren kleinen Fenstern und weißen Türen kein Rembrandt, Rubens oder Teniers vor einer Staffelei sitzt und Stimmungen einfängt. Seit vielen Jahrhunderten hat sich in Brügges Altstadt architektonisch rein gar nichts geändert.

Die kurze Steenstraat endet am Markt, der an zwei Seiten von mindestens einem Dutzend der vorher beschriebenen  Cafés umsäumt wird. Hier kann man überall Kaffee trinken und eventuell eine Waffel genießen  Die beiden anderen Seiten werden von dem im italienischem Renaissancestil erbauten Gebäude der Provinzial Regierung sowie den früheren gotischen Markthallen mit ihrem mächtigem Belfried umsäumt. Vom Marktplatz empfiehlt sich in einem Minibus eine ausgedehnte Stadtrundfahrt. Diese muss sein, sonst bleibt die Besucherin quasi an jeder Ecke – eine so romantisch wie die andere - stehen, um Eindrücke in sich aufzunehmen.  Die gesamte Altstadt hätte von Walt Disney in seinen Themenparks nicht annähernd derart perfekt nachgebaut werden können.

Vor Rückfahrt nach Gent empfiehlt sich zum vorgezogenen Abendessen die „de Vlaamsche Pot“ in der Helmstraat, in einem der alten rotziegeligen und urgemütlichen Gebäude eingerichtet, einzukehren. Empfehlung: Der Genuss von Kaninchen Stew in dunklem Bier mit Apfelsoße. Dazu gehört ein oder zwei  Fläschchen des weltberühmten süßlichen Trappistenbieres aus der Trappistenabtei St. Remy in Rochefort. Zum Abschluss muss unbedingt ein  hausgemachtes Schokoladenmousse genossen werden, denn das nächste Fitnesstraining ist bestimmt schon in zwei Tagen. In diesem kleinen Restaurant stimmt alles: gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und sehr freundliche Bedienung.
Etwas melancholisch, eine derart romantische Idylle genossen zu haben, wandert die Besucherin zum Bahnhof zurück und nimmt sich fest vor, die gleiche Tour – nur zeitlich nicht so eng - zu wiederholen.

Foto: Fotolia
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