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Mehr Mut wird gefordert
Mehr Mut wird gefordert
Wie ist der Industriestandort Österreich aufgestellt?
Noch relativ gut, die Betonung liegt aber eben auf „noch“ und „relativ“. Wir haben nicht zuletzt dank unserer gesunden industriellen Basis die Krise bisher ganz gut durchtaucht. In vielen Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit haben wir in den vergangenen Jahren aber Plätze eingebüßt. Das Problem ist vor allem, dass einfach viele Staaten mehr gemacht haben als wir. Über strukturelle Reformen reden wir in Österreich ja seit Jahren, passiert ist aber zu wenig. Nach wie vor steigt zudem der Schuldenberg, das kann auf Dauer nicht gut gehen. Wir brauchen mehr Investitionen in die Zukunftsbereiche Bildung, Forschung und Entwicklung sowie intelligente Infrastruktur. Das Geld wäre vorhanden, es versickert bei uns ja nur in ineffizienten Strukturen. Auf EU-Ebene wurden von der EU-Kommission mit ihrem erklärten Ziel einer „Reindustrialisierung“ Europas die richtigen Konsequenzen aus der Krise gezogen. Zieht man manche heimische Forderungen im Wahlkampf in Betracht, vor allem etwa der Ruf nach immer höheren Steuern und Abgaben, dann steht zu befürchten, dass ausgerechnet das starke Industrieland Österreich womöglich in eine andere Richtung marschieren könnte.
Welche sind die größten Probleme des Standorts?
Zu hohe Steuern und Abgaben, viel zu hohe Lohnzusatzkosten und veraltete Strukturen. Die hohen Lohnnebenkosten wie Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen lohnabhängigen Abgaben der Dienstgeber und Dienstnehmer sind mit 48,9 Prozent weit über dem OECD-Durchschnitt, der nur bei 35,6 Prozent liegt. Es kommen hierzulande somit nur knapp 50 Prozent dessen, was ein Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer zahlt, überhaupt beim Mitarbeiter an – das ist alles andere als fair. Nicht zuletzt mit Blick auf die Tatsache, dass wir als Standort die besten Hände und Köpfe gewinnen und halten wollen. Der hohe Abgabenkeil ist extrem schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes und wirkt massiv wachstumshemmend. Zudem sind es die seit Jahren diskutierten „Klassiker“: Pensionen, Gesundheit, Bildung und Verwaltung. Der überbordende Föderalismus kommt noch hinzu.
Was braucht der Standort, was erwarten sie sich von der nächsten Regierung?
Wir wollen endlich mehr Mut sehen. Bei uns in Österreich beschränkt sich Politik oft darauf, der jeweils anderen Partei zu erklären, was sicher nicht geht. Das ist in manchen Bereichen einfach nicht mehr nachvollziehbar. Lassen Sie mich ein Beispiel herausnehmen, und zwar das Pensionssystem. Einer der wichtigsten Faktoren ist hier die Beschäftigungsquote Älterer – auch die Politik meint ja immer beruhigend, dass es ausreichen würde, endlich das faktische Pensionsantrittsalter von 58 Jahren an das gesetzliche anzupassen. Darüber, ob das alleine reichen würde, kann man streiten. Aber es bietet sich der Vergleich mit Deutschland an, denn Österreich wies 2011 mit 42,9 Prozent die gleich hohe Beschäftigungsquote bei den 55-64Jährigen auf, wie Deutschland im Jahr 2000. In Deutschland wurde diese bis zum Jahr 2011 auf 64 Prozent erhöht. Würden wir dasselbe schaffen, könnten wir uns über 7,4 Mrd. Euro bis 2022 sparen. In Deutschland wurden Schlupflöcher in die Frühpension konsequent abgeschafft, wenn man ähnliches bei uns fordert wird man sogleich als Ausbeuter und unsozial beschimpft. Keiner kann mir aber aufgrund der Fakten erklären, warum bei uns unmöglich sein sollte, was in Deutschland ohne große Widerstände geklappt hat. Wir sollten uns nicht mehr mit dem Mittelmaß zufrieden geben, sondern uns an den Besten orientieren. Die Reformkonzepte liegen zuhauf in den Schubladen, nur umsetzen muss man sie.
Zur Person:
Die studierte Juristin startete ihre Karriere bereits während ihres Studiums als Forschungsassistentin im Europäischen Parlament in Brüssel. Nach einem Studienaufenthalt in Bologna entschied sie sich mit dem Einstieg bei Mondi Packaging für eine Industriekarriere. Seit Juli 2008 ist Dr. Therese Niss geschäftsführende Gesellschafterin der Miba-Tochter High Tech Coatings. Im Herbst 2009 wurde sie zur Bundesvorsitzenden der Jungen Industrie (JI) gewählt und im Herbst 2011 für weitere drei Jahre einstimmig in dieser Funktion bestätigt. Die Junge Industrie ist die freiwillige Interessenvertretung junger Unternehmerinnen und Unternehmer bis 40 mit etwa 1.000 Mitgliedern in ganz Österreich.
Noch relativ gut, die Betonung liegt aber eben auf „noch“ und „relativ“. Wir haben nicht zuletzt dank unserer gesunden industriellen Basis die Krise bisher ganz gut durchtaucht. In vielen Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit haben wir in den vergangenen Jahren aber Plätze eingebüßt. Das Problem ist vor allem, dass einfach viele Staaten mehr gemacht haben als wir. Über strukturelle Reformen reden wir in Österreich ja seit Jahren, passiert ist aber zu wenig. Nach wie vor steigt zudem der Schuldenberg, das kann auf Dauer nicht gut gehen. Wir brauchen mehr Investitionen in die Zukunftsbereiche Bildung, Forschung und Entwicklung sowie intelligente Infrastruktur. Das Geld wäre vorhanden, es versickert bei uns ja nur in ineffizienten Strukturen. Auf EU-Ebene wurden von der EU-Kommission mit ihrem erklärten Ziel einer „Reindustrialisierung“ Europas die richtigen Konsequenzen aus der Krise gezogen. Zieht man manche heimische Forderungen im Wahlkampf in Betracht, vor allem etwa der Ruf nach immer höheren Steuern und Abgaben, dann steht zu befürchten, dass ausgerechnet das starke Industrieland Österreich womöglich in eine andere Richtung marschieren könnte.
Welche sind die größten Probleme des Standorts?
Zu hohe Steuern und Abgaben, viel zu hohe Lohnzusatzkosten und veraltete Strukturen. Die hohen Lohnnebenkosten wie Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen lohnabhängigen Abgaben der Dienstgeber und Dienstnehmer sind mit 48,9 Prozent weit über dem OECD-Durchschnitt, der nur bei 35,6 Prozent liegt. Es kommen hierzulande somit nur knapp 50 Prozent dessen, was ein Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer zahlt, überhaupt beim Mitarbeiter an – das ist alles andere als fair. Nicht zuletzt mit Blick auf die Tatsache, dass wir als Standort die besten Hände und Köpfe gewinnen und halten wollen. Der hohe Abgabenkeil ist extrem schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes und wirkt massiv wachstumshemmend. Zudem sind es die seit Jahren diskutierten „Klassiker“: Pensionen, Gesundheit, Bildung und Verwaltung. Der überbordende Föderalismus kommt noch hinzu.
Was braucht der Standort, was erwarten sie sich von der nächsten Regierung?
Wir wollen endlich mehr Mut sehen. Bei uns in Österreich beschränkt sich Politik oft darauf, der jeweils anderen Partei zu erklären, was sicher nicht geht. Das ist in manchen Bereichen einfach nicht mehr nachvollziehbar. Lassen Sie mich ein Beispiel herausnehmen, und zwar das Pensionssystem. Einer der wichtigsten Faktoren ist hier die Beschäftigungsquote Älterer – auch die Politik meint ja immer beruhigend, dass es ausreichen würde, endlich das faktische Pensionsantrittsalter von 58 Jahren an das gesetzliche anzupassen. Darüber, ob das alleine reichen würde, kann man streiten. Aber es bietet sich der Vergleich mit Deutschland an, denn Österreich wies 2011 mit 42,9 Prozent die gleich hohe Beschäftigungsquote bei den 55-64Jährigen auf, wie Deutschland im Jahr 2000. In Deutschland wurde diese bis zum Jahr 2011 auf 64 Prozent erhöht. Würden wir dasselbe schaffen, könnten wir uns über 7,4 Mrd. Euro bis 2022 sparen. In Deutschland wurden Schlupflöcher in die Frühpension konsequent abgeschafft, wenn man ähnliches bei uns fordert wird man sogleich als Ausbeuter und unsozial beschimpft. Keiner kann mir aber aufgrund der Fakten erklären, warum bei uns unmöglich sein sollte, was in Deutschland ohne große Widerstände geklappt hat. Wir sollten uns nicht mehr mit dem Mittelmaß zufrieden geben, sondern uns an den Besten orientieren. Die Reformkonzepte liegen zuhauf in den Schubladen, nur umsetzen muss man sie.
Zur Person:
Die studierte Juristin startete ihre Karriere bereits während ihres Studiums als Forschungsassistentin im Europäischen Parlament in Brüssel. Nach einem Studienaufenthalt in Bologna entschied sie sich mit dem Einstieg bei Mondi Packaging für eine Industriekarriere. Seit Juli 2008 ist Dr. Therese Niss geschäftsführende Gesellschafterin der Miba-Tochter High Tech Coatings. Im Herbst 2009 wurde sie zur Bundesvorsitzenden der Jungen Industrie (JI) gewählt und im Herbst 2011 für weitere drei Jahre einstimmig in dieser Funktion bestätigt. Die Junge Industrie ist die freiwillige Interessenvertretung junger Unternehmerinnen und Unternehmer bis 40 mit etwa 1.000 Mitgliedern in ganz Österreich.